Interview

Ziel ist, bei Multipler Sklerose Schubfrequenz weiter zu senken

Immer mehr Substanzen stehen zur Therapie bei schubförmiger Multipler Sklerose zur Verfügung. Vor allem Patienten mit hoher Schubfrequenz und schwerem Verlauf profitieren von neuen Wirkstoffen. Hinweise aus aktuellen Studien, wem welcher Wirkstoff nützt, gibt Professor Frank Erbguth beim Praxis Update.

Ärzte Zeitung: Natalizumab und Fingolimod - Herr Professor Erbguth, wer profitiert von den neuen MS-Therapien?

Professor Frank Erbguth: Vor allem Patienten mit hoher Schubfrequenz und schwerem Verlauf. Denn Interferone können die Schubfrequenz um etwa 30 Prozent reduzieren, die neuen oralen Therapien wie Fingolimod um etwa 50 Prozent und Infusionen mit Natalizumab sogar noch stärker.

Ärzte Zeitung: Also Interferone oder Glatirameracetat ab MS-Diagnose, Fingolimod oder Natalizumab bei Interferon-Resistenz?

Erbguth: So einfach ist es nicht. Zum einen profitieren die Patienten schon ab dem ersten MS-ähnlichen Ereignis, klinisch isoliertes Syndrom (CIS) genannt, von Interferon oder Glatirameracetat. Dann liegt definitionsgemäß noch gar keine MS vor. Diese Beobachtung wird durch neue Studiendaten erhärtet.

Ärzte Zeitung: Und zum Anderen?

Erbguth: Zum Anderen sind Interferone und Glatirameracetat seit Jahren bewährt und sicher. Für die neuen Substanzen fehlen noch Langzeitdaten, und die Therapie mit Natalizumab birgt das Risiko einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie, PML.

Ärzte Zeitung: Wie hoch ist dieses Risiko?

Erbguth: Die Häufigkeit liegt etwas über 1 : 1000 in den ersten eineinhalb Behandlungsjahren; ab dem dritten Jahr steigt sie weiter an. Ein neuer zweistufiger JCV-Antikörpertest könnte helfen, Personen mit erhöhtem PML-Risiko zu identifizieren.

Ärzte Zeitung: Gibt es Marker dafür, welcher Patient wann Fingolimod oder Natalizumab erhalten sollte?

Erbguth: Obwohl etwa 20 bis 30 Prozent der mit Interferon Behandelten irgendwann "spritzenmüde" werden, sollte das kein Kriterium für den Einsatz der Fingolimod-Tabletten sein. Vielmehr werden diese bei "moderater" MS mit verringertem Ansprechen auf Interferon empfohlen. Patienten mit hochaggressiver MS dagegen können nach entsprechender Aufklärung und Risikoabwägung Natalizumab erhalten. Einen Therapiealgorithmus gibt es noch nicht, weitere Studien müssen Klarheit schaffen.

Das Interview führte Simone Reisdorf.

Professor Frank Erbguth

© med-update

Aktuelle Position: Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg

Ausbildung: Studium der Humanmedizin und Psychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1983: Approbation, 1990: Diplom Psychologie, 1996: Habilitation für das Fach Neurologie, seit 2001: Chefarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum Nürnberg

Schwerpunkte: Zerebrovaskuläre Erkrankungen, Neurologische Intensivmedizin, Entzündungs- und Infektionserkrankungen des Nervensystems, Bewegungsstörungen

Klare Auskünfte und neueste Studiendaten nicht nur zu MS erhalten Sie beim Praxis Update am 06. / 07. Mai 2011 in Berlin und München sowie am 20. / 21. Mai 2011 in Wiesbaden und Düsseldorf, siehe www.praxis-update.com

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