MS

Zusätzlich Östriol hilft Frauen

Eine Zusatztherapie mit Östriol führt bei Frauen mit MS zu einer schnelleren Reduktion der Schubrate und scheint die Behinderungsprogression zu bremsen. Darauf deuten erste Daten einer zweijährigen Studie.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Bremst Östriol bei MS die Behinderungsprogression?

Bremst Östriol bei MS die Behinderungsprogression?

© Bernd Ege / fotolia.com

PHILADELPHIA. Eine Schwangerschaft hat einen dramatischen Einfluss auf das maternale Immunsystem: Es wird so moduliert, dass es den Fetus nicht abstößt.

Diese Immunmodulation bremst auch eine MS: Die Schubrate sinkt während der Schwangerschaft um etwa 75 Prozent, steigt danach aber sofort wieder an, oft noch über das vor der Schwangerschaft bestehende Niveau, hat Professor Rhonda Voskuhl von der Universität in Los Angeles berichtet.

Eine Schwangerschaft wirkt also wie eine gute immunmodulierende MS-Therapie, sagte Rhonda auf der Jahrestagung der American Academy of Neurology .

Wirkt Östriol neuroprotektiv?

Was genau das Immunsystem bei Schwangeren in die Schranken weist, ist noch weitgehend unklar, der Verdacht richtet sich aber schon lange auf weibliche Sexualhormone. So lieferte Östriol (E3) in MS-Tiermodellen und ersten klinischen Pilotstudien Hinweise auf antientzündliche und neuroprotektive Effekte.

Diese hat ein Team um Voskuhl nun in einer größeren Studie bei 164 Frauen mit aktiver MS überprüft. Bei allen Frauen waren in den vergangenen zwei Jahren neue Schübe aufgetreten oder es ließen sich neue Läsionen der weißen Substanz im MRT nachweisen. Bei allen wurde die bisherige MS-Medikation abgesetzt.

Nach einer Auswaschphase von zwei Monaten bekamen die Frauen eine Standardtherapie mit Glatirameracetat (GA), die eine Hälfte erhielt zusätzlich Östriol (8 mg/d), und die andere Hälfte der Studienteilnehmerinnen Placebo.

Wie sich zeigte, war die durchschnittliche Schubrate in der Gruppe mit der Östriol-Kombitherapie nach einem Jahr um 45 Prozent geringer als in der Gruppe mit Placebo-Zusatztherapie (0,35 versus 0,6 Schübe).

Auf einer MS-Kognitionsskala verbesserten sich die Patienten mit der Östriol-Kombination um etwa 6 Prozent, solche mit deutlichen kognitiven Problemen sogar um 12 Prozent. Hingegen kam es hier bei den Patienten mit der Placebokombination praktisch zu keiner Veränderung.

Die Unterschiede zwischen Östriol- und Placebogruppen waren bei der Schubrate und der kognitiven Leistung statistisch signifikant (Fehlerwahrscheinlichkeit von 2 und 4 Prozent), beim EDSS-Wert gab es nach einem Jahr hingegen keine signifikanten Unterschiede.

Etwas anders sah das Ergebnis nach zwei Jahren aus. Die Schubrate unter Östriol war konstant geblieben, die in der Placebogruppe etwas gefallen. Mit Östriol war die Rate noch 37 Prozent geringer als mit Placebo, der Unterschied war nicht mehr signifikant.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der kognitiven Leistung: Sie war in der Östriol-Gruppe konstant geblieben, hatte sich in der GA-Placebogruppe etwas verbessert, sodass es auch hier keine signifikanten Unterschiede mehr gab. Offenbar kommt es mit der Kombitherapie von GA und Östriol zu einer deutlich schnelleren Verbesserung als unter der GA-Monotherapie. Mit der Zeit scheinen sich die Werte aber anzugleichen.

EDSS-Wert kontinuierlich gesunken

Ein überraschendes Ergebnis zeigte sich nach zwei Jahren beim EDSS-Wert: Dieser war in der GA-Placebo-Gruppe über den gesamten Zeitraum hinweg konstant geblieben, in der GA-Östriol-Gruppe kontinuierlich und signifikant gesunken - im Schnitt um 0,3 Punkte in zwei Jahren. Dies könnte nun ein erster klinischer Hinweis auf neuroprotektive Eigenschaften der Hormontherapie sein.

Die Zahl neuer MRT-Läsionen und das Läsionsvolumen gingen in der Östriolgruppe etwas stärker zurück als in der Gruppe mit Placebo, die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren aber nicht signifikant.

Schwere unerwünschte Wirkungen traten mit Östriol nicht häufiger auf als mit Placebo, ein Viertel der Frauen zeigte mit der Behandlung jedoch eine irreguläre Menstruation. Das Krebsrisiko unter der Hormontherapie hält Voskuhl für sehr gering. "Östriol ist keine Hormonersatztherapie", sagte sie.

Das Hormon werde seit langem von Millionen gesunden Frauen angewandt und habe ein hervorragendes Sicherheitsprofil - vor allem, wenn man es mit den meisten anderen MS-Mitteln vergleiche.

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