Forschung

Protein EBI2: Ansatzpunkt für MS-Therapie

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz haben einen Mechanismus entdeckt, der es T-Zellen erleichtert, im Gehirn Schaden anzurichten.

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MAINZ. Bei der neurodegenerativen Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) greifen körpereigene T-Zellen das ZNS im Gehirn an. Ein wichtiges Hindernis ist dabei die Blut-Hirn-Schranke. Diese müssen T-Zellen überwinden, um in das Gehirn einzudringen.

Wie das funktioniert, wollen Forscher weltweit ergründen. Ziel ist es, neue Medikamente zu entwickeln, die hier ansetzen. Forscher der Universitätsmedizin Mainz haben jetzt einen Mechanismus entdeckt, der es T-Zellen erleichtert, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und in das ZNS einzuwandern. Dr. Florian Kurschus und seine Arbeitsgruppe vom Institut für Molekulare Medizin haben herausgefunden, dass das als EBI2 bezeichnete Protein auf der Oberfläche von T-Zellen wesentlich dazu beiträgt (Cell Reports 2017, 18, 1–15), heißt es in einer Mitteilung der Universitätsmedizin Mainz.

EBI2 fungiert als Rezeptor beziehungsweise Zielprotein für ein bestimmtes, als Ligand bezeichnetes, Molekül, das 7a,25-Dihydroxycholesterol. Dieser Ligand wird von Enzymen aus Cholesterin produziert. EBI2 ermöglicht es Immunzellen, schneller und effizienter in das Gehirn einzuwandern. Dabei gilt: Je höher die Konzentration des Liganden, desto schneller und effizienter können die Immunzellen ins Gehirn vordringen und dort Gewebeschäden anrichten.

Zu dieser Erkenntnis kamen die Wissenschaftler um Kurschus, als sie nachweisen konnten, dass in entzündeten Gehirnarealen von MS-Patienten besonders viele Zellen mit hohen Mengen des Rezeptors EBI2 angesammelt sind. "Diese Daten legen den Schluss nahe, dass im Menschen der Rezeptor und eine erhöhte Ligandenkonzentration zur Einwanderung von T-Zellen und somit zur Erkrankung des ZNS beitragen", wird Dr. Florian Wanke aus der Arbeitsgruppe von Kurschus in der Mitteilung zitiert.

In einem ersten Schritt untersuchten die Wissenschaftler in einem MS-Tiermodell, was bei einer Entzündung passiert. Sie konnten zeigen, dass zu Beginn einer Entzündung der Anteil der Enzyme, die für die Ligandenproduktion wesentlich sind, im ZNS erhöht ist. "Je mehr von diesen Enzymen aktiv sind, desto höher ist auch die Anzahl der Liganden, die T-Zellen über die Blut-Hirn-Schranke einschleusen können", sagt Kurschus. "Es erschloss sich uns folglich, wie die erhöhte Ligandenproduktion im entzündeten ZNS Gewebe zustande kommt", ergänzt Kurschus.

Da Rezeptoren wie EBI2 (sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) ein hohes Potenzial als Angriffspunkte für neue Medikamente darstellen, sind sie für die MS-Forschung in hohem Maße interessant. "Für den Rezeptor EBI2 sind bereits mögliche therapeutische Ansatzpunkte bekannt, die wir in Zukunft in MS-Modellversuchen auf ihre Wirksamkeit testen wollen. Über die Krankheit MS hinaus, könnte dieser Rezeptor aber auch eine Rolle in anderen Autoimmunkrankheiten spielen. Denn EBI2 wird von besonders gefährlichen, sogenannten Th17-Zellen produziert, die eine Untergruppe der T-Helferzellen darstellen", erläutert Kurschus.

Bei T-Helferzellen handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die eigentlich Krankheitserreger und Eindringlinge im Blut bekämpfen. Bei Autoimmunkrankheiten wie Psoriasis oder MS entfalten sie aber nachweislich eine gegenteilige Wirkung. Sie gelten daher als pathogene Immunzellen, da sie eigene Strukturen fälschlicherweise als fremd erkennen und bekämpfen. (eb)

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