Hintergrund

Wenn Blaulicht den Schlaf raubt

Den Ursachen von Schlafproblemen auf den Grund zu kommen ist nicht immer einfach. Ein eher neues, den Schlaf störendes Phänomen sind LED-Bildschirme. Denn sie können das Gehirn regelrecht wach machen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Blaues Licht vom Monitor aktiviert das Gehirn.

Blaues Licht vom Monitor aktiviert das Gehirn.

© fotandy/fotolia.com

Nicht immer sind Schlafmittel nötig: Klagt jemand über Insomnie, ist vielleicht auch der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört. Manchmal hilft es dann schon, abends auf das richtige Licht zu achten.

Schlafstörungen gehören zusammen mit Depressionen zu den ZNS-Krankheiten mit der höchsten Krankheitslast. Patienten mit Schlafstörungen sollten daher ernst genommen und behandelt werden, so Privatdozent Dieter Kunz vom St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin.

Allerdings würden oft die Falschen behandelt, sagte der Schlafexperte auf der Fortbildungsveranstaltung "Psychiatrie Update" in Köln.

Nicht selten seien es ältere Leute, die über zu wenig Schlaf klagten. Aber gerade bei den über 65-Jährigen ist die Prävalenz von Schlafstörungen eigentlich am niedrigsten: Hier liegt sie nach Daten einer Studie bei etwa neun Prozent, in allen anderen Altersgruppen ist sie mit zwölf Prozent gut ein Drittel höher.

Viele ältere Patienten, so Kunz, wünschten sich mehr Schlaf, weil ihnen langweilig ist, nicht weil sie müde sind.

Kunz riet daher, vor einer Therapie mit Hypnotika genau zu prüfen, ob überhaupt ein Problem mit dem Schlaf besteht. Ein guter Ansatz ist etwa die Frage: "Wie fühlen Sie sich tagsüber?"

Schlafbedürfnis variiert extrem

Wenn die Patienten sagen, "es geht, aber eigentlich müsste ich mehr schlafen", dann spricht dies eher gegen eine Schlafstörung.

Der Schlafexperte erinnerte daran, dass nur dann eine Insomnie zu diagnostizieren ist, wenn sich die Patienten nachts nicht ausreichend erholen.

Die tatsächlich im Bett verbrachte Zeit liefert dagegen kaum Hinweise, da das Schlafbedürfnis individuell sehr unterschiedlich ist und zwischen vier und elf Stunden pro Nacht betragen kann.

Eine einfache Methode, Schlafproblemen auf die Spur zu kommen, bietet die Aktometrie. Dabei wird den Patienten ein Bewegungsmesser in Größe und Form einer Armbanduhr am Handgelenk befestigt.

Anhand der Messdaten kann der Arzt sehr genau erkennen, wann und wie lange jemand ruhig ist. Indirekt kann er daran ablesen, wann und wie viel jemand schläft. So kommt auch der Mittagsschlaf zutage, den der Patient verschwiegen hat.

Anderseits kann man damit auch einen Schlafmangel erkennen, etwa bei jemandem, der darüber klagt, dass er sich immer viel zu müde fühlt, obwohl er werktags jede Nacht sieben Stunden schläft, was er eigentlich für ausreichend hält.

Gönnt sich dieser Patient am Wochenende zehn Stunden Schlaf, so kann man ganz klar sagen, dass für ihn sieben Stunden unter der Woche eben nicht reichen.

Lässt sich bei Patienten eine Insomnie nachweisen, sollten auch die Lebensgewohnheiten auf den Prüfstand. So mag das Glas Wein abends zwar das Einschlafen erleichtern; es begünstigt aber auch das nächtliche Aufwachen. Schon geringe Alkoholmengen können den natürlichen Schlafrhythmus stören, sagte Kunz.

Blaulicht nur zur richtigen Zeit

Ein eher neues, den Schlaf störendes Phänomen sind LED-Bildschirme. Diese haben oft einen hohen Tageslicht- oder Blaulichtanteil. Blaulicht macht das Gehirn jedoch wieder wach.

Der Anstieg des Melatoninspiegels wurde dadurch in Studien um eine Stunde nach hinten verschoben.

Wer also spät abends noch lange vor dem Computermonitor seine Mails checkt, muss sich nicht wundern, wenn er anschließend hellwach ist. Um das Gehirn auf Schlaf einzustimmen, ist eher schwaches Glühbirnenlicht geeignet.

Blaulicht oder Tageslicht mit einem hohen Blauanteil können bei Schlafproblemen aber auch helfen, und zwar dann, wenn man tagsüber damit sein Gehirn aktiviert.

Wer etwa an einem sonnigen Wintertag draußen spazieren geht, darf sich auf einen besseren Nachtschlaf freuen, weil Blaulicht zur richtigen Zeit seinen Schlaf-Wach-Rhythmus optimiert.

Bei einer ausgeprägten Insomnie wird dies jedoch oft nicht reichen. Sind Schlafmittel nötig, so können Ärzte auf die Sicherheit der Z-Substanzen wie Zolpidem und Zopiclon vertrauen.

In einer Studie zeigten diese Wirkstoffe sogar günstige Zusatzeffekte: Eine Therapie über 14 Tage mit Eszopiclon erhöhte die Überlebensrate von neu gebildeten Zellen im Hippocampus um knapp die Hälfte. Dies könnte eine Hippocampusatrophie lindern, wie sie bei chronischem Schlafmangel beobachtet wird.

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