Bettruhe

Die vielen Mythen um den gesunden Schlaf

Wenn Menschen mehrmals in der Nacht aufwachen, wird oft eine Schlafstörung vermutet. Doch das trifft meistens nicht zu, sagt ein Schlafforscher. Er betont: Viele erwarten vom Schlaf zuviel.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Fällt das Einschlafen schwer? Oft geht es bei vorgeblichen Schlafstörungen vor allem um Wissensdefizite.

Fällt das Einschlafen schwer? Oft geht es bei vorgeblichen Schlafstörungen vor allem um Wissensdefizite.

© DAK

REGENSBURG. Ein Standardproblem von Patienten in der Hausarztpraxis sind Schlafstörungen. Nach dem DAK-Gesundheitsreport 2010 schlafen immerhin etwa vier Millionen Deutsche in mindestens drei Nächten pro Woche schlecht.

Auf Klagen, man könne nicht schlafen, gebe es in der Praxis zwei Standardantworten, so der Regensburger Schlafforscher Professor Jürgen Zulley: "Entweder der Arzt sagt: 'Kann ich auch nicht.' Oder er sagt: 'Da habe ich ein Medikament, das hat noch niemandem geschadet …'"

Doch vor dem Griff zum Rezept sei ein Gespräch über den Schlaf angesagt, in dem Patienten informiert und sie zur Selbsthilfe angehalten werden, sagte der ehemalige Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universität Regensburg auf einer Veranstaltung des Pharmaunternehmens Bionorica SE und Springer Medizin in München.

Denn um den Schlaf ranken sich viele Mythen, die es gilt, zurechtzurücken. Bei vielen Patienten reiche das schon für einen besseren Schlaf.

Aber natürlich gebe es Behandlungsbedürftige unter diesen Patienten. Immerhin sieben Prozent der EU-Bürger haben klinisch bedeutsame Schlafstörungen, hat eine große europaweite Studie unter Leitung des Dresdener Psychologen Professor Hans-Ulrich Wittchen aus dem vergangenen Jahr ergeben.

Aber häufig sind es allein falsche Erwartungshaltungen, die zu den Schlafstörungen führen. Und diesen Patienten helfen Aufklärung über Schlaf, Tipps zur Schlafhygiene oder eine Schlafschule. Denn guter Schlaf könne häufig wieder erlernt werden, versichert Zulley.

"Entspannung ist der Königsweg"

Wer nachts etwa oft aufwacht, meint, an Durchschlafstörungen zu leiden. Doch nachts aufzuwachen, ist ganz normal. Das ist laut Zulley sogar eine der wichtigsten Botschaften. Schlaflabor-Messungen haben ergeben, dass jeder Mensch pro Nacht 28 Mal wach wird, und zwar richtig wach.

Diese Phasen sind sehr kurz, und man schläft gleich wieder ein. Durchschlafstörungen gebe es also gar nicht, wohl aber Einschlafstörungen. Denn, so Zulley, wer sich in solch normalen Wachphasen aufrege, weil er wach sei, der könne nicht wieder einschlafen.

Deshalb ein weiterer wichtiger Tipp: "Die Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf."

Meist wachen Schlafgestörte um drei, vier Uhr morgens auf. Auch das ist normal. Darüber sollte man die Patienten aber aufklären, sagte der Schlafforscher.

Denn noch vor 100 Jahren sei es vielfach üblich gewesen, nach etwa vier Stunden Schlaf gegen drei Uhr morgens aufzustehen, sich anzuziehen, rauszugehen, mit den Nachbarn zu reden und sich nach ein bis zwei Stunden zum so genannten "zweiten Schlaf" wieder ins Bett zu legen.

"Das wäre heute eine Durchschlafstörung, früher war das ganz normal." Wachen Patienten oft gegen drei Uhr früh morgens auf, sollte man ihnen raten, aufzustehen und irgendetwas zu tun. Dann werde man von allein wieder müde, und die Bettschwere stelle sich ein.

Zulleys wichtigste Botschaft ist also: "Nächtliches Wachwerden ist völlig normal. Doch das wissen die meisten Kollegen nicht."

Eine Viertelstunde zum Einschlafen

Ein weiterer Mythos: Der Schlaf vor Mitternacht ist besonders wertvoll. Das gelte nur, wenn man die "biologische Mitternacht" meine, so Zulley. Und die ist genau um den Zeitpunkt drei, vier Uhr morgens, wenn der Körper seinen physiologischen Tiefpunkt hat.

Man muss für einen erholsamen Schlaf also nicht unbedingt schon um 22 Uhr ins Bett gehen.

Fünf Stunden Schlaf sollten es aber schon sein pro Nacht, darin sieht der Schlafforscher das Minimum. Strikte Vorgaben gibt es aber auch hier nicht. Jeder hat ein anderes Bedürfnis, wie viel Schlaf er braucht.

Allerdings: Regelmäßig zu wenig, aber auch zu viel, nämlich mehr als acht Stunden, zu schlafen, erhöht nach der NHANES-Studie aus den USA das Risiko für kardio-vaskuläre Erkrankungen ganz erheblich.

Durchschnittlich schläft der Deutsche von 23 Uhr bis 6.18 Uhr. Eine Viertelstunde braucht er im Schnitt zum Einschlafen. Das ergibt einen Mittelwert von sieben Stunden Schlaf. Übrigens, auch im 16. und 17. Jahrhundert schliefen die Menschen im Mittel sieben Stunden pro Nacht.

Ein akutes Schlafdefizit nachzuholen, ist aber nur bedingt möglich. Nach einer Woche mit kurzen Nächten am Wochenende den verlorenen Schlaf wieder einzuholen, hält Zulley für nicht machbar.

Im Grunde genommen machten viele Menschen sich aber zu viele Sorgen um gestörten Schlaf und kurze Nächte.

"Es ist gar nicht so schlimm, wenn man mal schlecht schläft. Da ist man oft am nächsten Tag sogar besser drauf", sagte Zulley.

Eine normale Einstellung zum Schlaf ohne falsche Erwartungen führt bei vielen Patienten schnell zu erholsameren Nächten.

Lesen Sie dazu auch: Schlafhygiene: Sieben Tipps für Schlafgestörte

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Aktuelle Forschung

Das sind die Themen beim Deutschen Parkinsonkongress

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert