HINTERGRUND

"Be Smart - Don’t Start": Eine Anti-Raucher-Kampagne, die nicht nur mit einem klangvollen Namen glänzt

Von Cornelia Durst Veröffentlicht:

Der Anteil junger Raucher steigt und steigt. Einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge hat sich in Deutschland die Zahl der Jugendlichen, die zum Glimmstengel greifen, in den Jahren 1989 bis 2001 verdoppelt. Der Anteil junger Raucherinnen im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren stieg von zehn auf 21 Prozent, der der jungen Raucher von neun auf 18 Prozent. Politiker, Pädagogen und auch Pädiater rufen deshalb nach immer wieder neuen Präventionsprogrammen. Anti-Raucher-Kampagnen wie "Just be smokefree" und "Be Smart - Don‘t Start" sind nur zwei der vielen Slogans.

Kann im Klassenverbund Nichtrauchen gestärkt werden?

Doch wie sieht es mit der Wirkung solcher Präventionsprogramme aus? Erreichen die Aktionen an Schulen tatsächlich ihre Zielgruppe? Kann im Klassenverbund Nichtrauchen gestärkt - können Risiken gemildert werden? Ja, sagen die Autoren einer Studie des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung Kiel.

Reiner Hanewinkel und Gudrun Wiborg haben das Rauchverhalten in insgesamt 187 Schulklassen abgefragt. Und folgendes festgestellt: Klassen, die am Programm "Be Smart - Don‘t Start" teilgenommen haben, liegen in der Vier-Wochen-Prävalenz und der Sieben-Tage-Prävalenz signifikant unter den Werten der Kontrollgruppe. Das heißt: Auf die Fragen "Hast Du in den vergangenen vier Wochen geraucht?" Oder "hast Du in den vergangenen sieben Tagen geraucht?" antworteten in den Klassen, die am Programm teilgenommen haben, wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler mit Nein als in den Klassen, die nicht mitgemacht haben.

Die Studie wurde in den Jahren 1998 und 1999 als Kontrollgruppenstudie realisiert. Dazu wurden alle 141 teilnehmenden Klassen in Hamburg und Berlin (dort wurde der Wettbewerb als Pilotprojekt gestartet) angeschrieben. Zudem wurden 70 Schulklassen aus Hannover nach dem Zufallsprinzip als Kontrollgruppe generiert. Die Daten wurden durch anonymisierte Fragebogen abgerufen, die in der Klasse ausgefüllt wurden.

An der ersten Fragerunde vor Beginn des Projektes haben sich insgesamt 187 Schulklassen beteiligt - 131 aus der Interventions- und 56 aus der Kontrollgruppe. Hinsichtlich Durchschnittsalter und Anteil der Mädchen unterschieden sich die Klassen fast nicht. Auch nicht hinsichtlich des Rauchverhaltens: Vor Projektstart gaben in der ersten Gruppe 18,5 Prozent der Schüler an, in den vergangenen vier Wochen geraucht zu haben, in der Kontrollgruppe waren dies 21,5 Prozent. Bei der sogenannten Sieben-Tage-Prävalenz lagen die Werte bei zwölf und 14,5 Prozent.

Zum Nachuntersuchungstermin unterschieden sich die Gruppen dann deutlich : Nun gaben 28,7 Prozent der Schüler der Interventionsgruppe (die, die am Wettbewerb teilgenommen haben) und 35,4 Prozent der Schüler der Kontrollgruppe an, in den vergangenen vier Wochen geraucht zu haben. In beiden Gruppen hat sich also der Anteil der Jugendlichen, die zum Glimmstengel greifen, erhöht - in der Interventionsgruppe aber deutlich geringer als in der Kontrollgruppe.

Die Autoren der Studie erklären die generelle Erhöhung der Prävalenz mit dem steigenden Alter der Jugendlichen: Mit jedem Lebensjahr zwischen zwölf und 15 steigt die Gefahr, daß Schüler erstmals zur Zigarette greifen. So gaben zu Beginn der Studie 12,8 Prozent der 13jährigen an, in den vergangenen sieben Tagen geraucht zu haben - ein Jahr später (die Schüler waren dann ja bereits 14 Jahre alt) hatte sich die Sieben-Tage-Prävalenz bereits auf 22,1 Prozent erhöht.

Durch Programme wie "Be Smart - Don‘t Start" allerdings kann diese Entwicklung erheblich gebremst werden, ziehen die Autoren des Kieler Instituts ihr Fazit. Ergo: Programme, in denen ganz bewußt der Status des Nichtrauchens im Klassenverbund angesprochen und vor allem besprochen wird, helfen, Teenager vom Griff zur Zigarette abzuhalten. "Nichtraucher werden motiviert, weiterhin Nichtraucher zu bleiben."

Schüler verpflichten sich, ein halbes Jahr nicht zu rauchen

Der Wettbewerb "Be Smart - Don‘t Start" wird mittlerweile bundesweit angeboten. Teilnehmen können Schulklassen der Stufen sechs bis neun, in denen sich mindestens 90 Prozent der Schüler bereit erklärt haben, mitzumachen. Die Schüler verpflichten sich dann, ein halbes Jahr lang nicht mehr zu rauchen und unterschreiben dazu einen Schüler- und Klassenvertrag. Wöchentlich wird in der Klasse der Rauchstatus der Schüler abgefragt. Um im Programm zu bleiben, dürfen pro Woche nicht mehr als zehn Prozent der Schüler geraucht haben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Niedrigschwellige Angebote gefragt



FAZIT

Programme, in denen im Klassenverbund das Nichtrauchen thematisiert wird, helfen, Teenager vom Griff zum Glimmstengel abzuhalten. Das haben Wissenschaftler des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung Kiel herausgefunden. Ihrer Studie zufolge rauchten in der teilnehmenden Gruppe signifikant weniger Jugendliche als in der Kontrollgruppe, die nicht am Programm "Be smart - Don‘t Start" teilgenommen hat. Programme wie dieses haben also nicht nur einen klangvollen Namen - sie wirken auch, haben die Autoren bewiesen.

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