Immer mehr Alte sind süchtig

In Deutschland gibt es immer mehr Suchtkrankte im Alter über 60. Experten vermuten typische Probleme älterer Menschen dahinter. Und: Gerade Senioren meiden offenbar ambulante Beratungsstellen.

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HANNOVER (cben). Aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Zahl älterer Menschen nimmt auch die Zahl suchtkranker Senioren zu. Schätzungen zufolge sind bundesweit 400.000 Menschen über 60 Jahre alkoholabhängig.

Bei jedem siebten pflegebedürftigen Heimbewohner besteht der Verdacht auf Alkoholmissbrauch. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.

"Alkohol ist frei verkäuflich, und Beruhigungsmittel wie die weitverbreiteten Benzodiazepine werden von Ärzten zu häufig und oft zu leichtfertig verordnet", sagte Wilhelm Unkel, Suchtmediziner und Psychiater in der Psychiatrie Wunstorf.

Die Gründe für eine Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit im Alter sind vielfältig. Vielen fehlt nach Angaben von Christine Deibert vom Suchthilfeträger Step nach dem Ende ihres Berufslebens die Alltagsstruktur.

Zu selten diagnostiziert

Hinzu kämen soziale Isolation, der Verlust des Partners und der Mobilität aufgrund körperlicher Erkrankungen. Doch der Anteil der über 60-Jährigen, die eine ambulante Beratungsstelle aufsuchen, sei mit fünf Prozent äußerst gering.

Und viel zu selten diagnostizierten Hausärzte eine Abhängigkeit, weil sie Symptome wie Vergesslichkeit, Zittern, Verwahrlosung, Depressionen oder häufige Stürze als Altersgebrechen einordneten.

Gleichwohl leiden Senioren aufgrund ihrer Sucht unter Schuldgefühlen, sagte Unkel weiter. Es sei aber zwecklos, sie aufzufordern, Alkohol oder Medikamente nicht mehr zu konsumieren.

Vielmehr könnte es helfen, ihnen Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer Probleme wie Angst oder Einsamkeit anzubieten.

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