Drogen und Alkohol

Viele weiße Amerikaner sterben früh

Bei armen weißen US-Bürgern mittleren Alters steigen die Sterberaten, bei Schwarzen oder Latinos dieser Altersgruppe sinken sie. Ursache sind vor allem Suchtkrankheiten und Suizide. Forscher sehen soziale Probleme als Ursprung.

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PRINCETON. Immer mehr weiße US-Bürger sterben schon um die 50 herum. Vor allem unter ärmeren Weißen im Alter von 45 bis 54 Jahren steige die Zahl der Todes- und auch Krankheitsfälle, bilanziert eine Studie von Forschern der Princeton University (PNAS 2015; online 2. November).

Gründe seien Drogen- und Alkoholvergiftung, Suizid sowie chronische Leberkrankheiten, schreiben die Gesundheitsökonomen Anne Case und Angus Deaton. Von den Afro-Amerikanern und Latinos in den USA überleben dagegen immer mehr Menschen dieses Alter.

Die Forscher werteten für ihre Metaanalyse die Daten von 45- bis 54-Jährigen aus mehreren großen US-Gesundheitssurveys für den Zeitraum 1999 bis 2013 aus.

Dabei zeigte sich bei der weißen Bevölkerung ein Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit: Unter denen, die nur die Highschool oder weniger absolviert hatten, vervierfachte sich in dem Zeitraum die Todesrate durch Alkohol oder Drogen.

Es gab 80 Prozent mehr Suizide und 50 Prozent mehr Tote durch Zirrhose und andere chronische Leberkrankheiten. Insgesamt stieg die Sterberate im mittleren Alter in dieser Gruppe um 22 Prozent.

Mit höherer Bildung bleibt die Todesrate gleich

Unter den Menschen mittleren Alters, die zumindest zeitweise ein College besucht hatten, blieb die Todesrate nach 1998 unverändert, während sich die Zahlen bei weißen Amerikanern mit Hochschulabschluss sogar etwas verringerten. Unterm Strich zeigte sich für die gesamte Altersklasse aber zunehmende Sterberaten.

Die Zahl stieg für alle weißen Amerikaner mittleren Alters in den 14 Jahren von etwa 380 Todesfällen pro 100.000 Menschen auf rund 410 pro 100.000.

"Wäre die weiße Mortalitätsrate für das Alter 45 bis 54 Jahre auf dem Stand von 1998 geblieben, hätten 96.000 Todesfälle in den Jahren 1999 bis 2013 verhindert werden können", schreiben die Autoren.

Hätte sich der Abwärtstrend bei den Todesfällen von 1979 bis 1998 fortgesetzt, wären es sogar fast 500.000 gewesen. "Das entspricht der Zahl der Menschen, die bis 2015 in den USA durch Aids ihr Leben verloren haben."

Die hohen Todesraten gehen einher mit einem Anstieg an körperlichen und psychischen Krankheiten. Die Zahl der Arbeitsunfähigen steigt. Rechnet man die Jahre 2011 bis 2013 zusammen, hatte laut Studie jeder Dritte chronische Gelenkschmerzen und jeder Siebte ein Ischiassyndrom. Adipositas sei zwar auch ein Problem, so die Autoren, habe die Todesrate im mittleren Alter bisher aber nicht wesentlich beeinflusst.

Seit Mitte der 90er Jahre werden zudem immer mehr opioid-haltige Schmerzmittel verschrieben - die Grenze zu einer Nutzung als Droge ist hier oft fließend. Die Forscher fordern hier striktere Verschreibungs-Regeln. Daneben seien aber auch tiefere soziale und ökonomische Probleme anzugehen.

"Wenn das, was hier passiert, eine Epidemie der Hoffnungslosigkeit ist, dann sehen wir eine weitere schreckliche Folge von langsamem Wachstum und von wachsender Ungleichheit", bilanziert Deaton.

In die durchschnittliche Lebenserwartung von US-Amerikanern, die für 2013 geborene Kinder bei 78,4 Jahren liegt, seien die Studienzahlen bereits eingerechnet, ergänzte Deaton auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur.

In Deutschland steigt die Lebenserwartung

Sie dürften die Kurve abgeflacht haben. "Die Lebenserwartung wird sich weniger schnell erhöht haben, als es ohne diese Epidemie der Fall gewesen wäre."

In Deutschland steigt die Lebenserwartung hingegen stetig - für 2015 geborene Mädchen liegt sie bei fast 83 Jahren, für Jungen bei rund 78 Jahren. Allerdings erreicht sie nicht die weltweite Top 10. Entsprechend sank die Sterberate für 45- bis 54-Jährige seit 1990 um etwa 2 Prozent pro Jahr von 450 pro 100.000 Menschen dieses Alters (1990) auf rund 300 pro 100.000 (2013).

Und auch wenn derzeit alles stabil ist, sagt der Medizinsoziologe Professor Siegfried Geyer (MH Hannover): "Wenn in Deutschland die gleichen Entwicklungen in dem gleichen Ausmaß eintreten wie in den USA, kann ein Sinken der Lebenserwartung durchaus vorkommen."Drogen- und Alkoholmissbrauch seien oft Folgen sozialer und ökonomischer Probleme, erläutert Geyer.

Deshalb sei etwa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in vielen osteuropäischen Ländern die Lebenserwartung stark gesunken. "Griechenland wäre ein Kandidat für eine solche Entwicklung.

"Umgekehrt sei in Deutschland für die Zukunft auch denkbar, dass eventuell sinkende Einkommen und Renten durch einen höheren Anteil arbeitender Frauen und gesündere Lebensführung aufgewogen werden könne. "An solchen Fragen sind wir gerade dran." (dpa)

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