Bei Kreuzweh ist "Erfolg der Ersttherapie ganz, ganz wichtig"

BAD ROTHENFELDE (eb). "Bei Patienten mit akuten Rückenschmerzen hat der Erstbehandler eine sehr große Aufgabe", betont Dr. Eliane Broll-Zeitvogel von der Parkklinik in Bad Rothenfelde. Denn die frühe, ausreichende und konsequente analgetische Therapie ist eine Voraussetzung, daß die Schmerzen nicht chronifizieren.

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"Gerade die Erkenntnisse zu den Prozessen der Chronifizierung von Schmerzen machen immer wieder klar, daß der Erfolg der Ersttherapie ganz, ganz wichtig ist", sagte Broll-Zeitvogel zur "Ärzte Zeitung". Für die Orthopädin bieten bei akutem Rückenschmerz NSAR oft schon die Möglichkeit einer ausreichenden Analgesie.

NSAR seien dem WHO-Stufenschema zufolge die erste Wahl, um nozizeptive Schmerzen zu lindern, also überreizte freie Nervenendigungen zu beruhigen. Mindestens 95 Prozent der Patienten mit akuten Rückenschmerzen hätten nozizeptive Schmerzen, so Broll-Zeitvogel. Selbst bei Schmerzen, die bei einem Bandscheibenvorfall über Nervenwurzeln vermittelt würden, handele es sich primär um nozizeptive.

Rückenschmerz-Patienten müssen gut schlafen können

Bei der NSAR-Wahl habe jeder Kollege seine Favoriten. Broll-Zeitvogel etwa wendet oft Dexibuprofen (Deltaran®) an. Vorteile der Substanz seien die kurze Halbwertszeit im Blut bei langer Verweildauer am Zielort, also in Liquor und Synovia etwa der Wirbelgelenke, so die Orthopädin.

Sollten NSAR bei akuten Rückenschmerzen nach Bedarf oder mit vorgeschriebenen Einnahme-Zeitpunkten angewandt werden? Broll-Zeitvogel dazu: "Ich versuche, Patienten mit akuten Rückenschmerzen in der ersten Woche konstant analgetisch abzudecken - über Tag und Nacht. Rückenschmerz-Patienten müssen gut schlafen können, damit sie ausgeruht sind!

Für eine suffiziente Therapie reicht es nicht, den Patienten zu sagen: ,Nehmen Sie vielleicht mal...‘, sondern es sollten, abhängig von der Halbwertszeit der gewählten Substanz, zwei oder drei Einnahme-Zeitpunkte festgelegt werden." Bei einer Therapie mit Coxiben, etwa bei Älteren mit gastrointestinalen Problemen in der Anamnese, sei die einmal tägliche Einnahme adäquat.

Erste Kontrolluntersuchung erfolgt nach drei Tagen

Wichtig seien auch begleitende physikalisch-balneologische Maßnahmen, etwa Wärme oder Elektrotherapie, und auch die Aktivierung der Patienten. "Ideal ist ein Wechsel zwischen Liegen, Gehen und Stehen".

Nach drei Tagen - bei unzureichender Schmerzlinderung natürlich früher - bestellt Broll-Zeitvogel Rückenschmerz-Patienten für eine erste Kontrolluntersuchung ein. Wichtige Fragen sind dann: Wie hat sich der klinische Befund geändert? Sind Befunde dazugekommen, die eine weiterführende Diagnostik nötig machen? Insgesamt sollte die Akut-Therapie auf etwa drei Wochen begrenzt sein, so Broll-Zeitvogel. "Wenn sich dann noch nichts Wesentliches getan hat, muß natürlich eine weitere Diagnostik eingeleitet werden!"

Die Orthopädin empfiehlt, visuelle Analogskalen (VAS) anzuwenden, um die Schmerzstärke, wie sie vom Patienten subjektiv empfunden wird, zu dokumentieren. Broll-Zeitvogel: "Diese Skalen sind für mich bei der Erstuntersuchung und bei den Kontrolluntersuchungen unverzichtbar."

Die Angaben darauf könnten etwa für die empfohlene NSAR-Dosis wichtig sein, und sie ermöglichten, zu kontrollieren, ob die Schmerztherapie effizient ist. Bei Anwendung einer VAS mit dem Maximalwert 10 (stärkster Schmerz) sollten die Schmerzen nach der ersten Therapiewoche so gemildert sein, daß der Wert zwischen 2 und 3 liegt, so die Orthopädin. "Optimal wären natürlich null Punkte."

Haben Patienten mit Rückenschmerzen zusätzlich starke Muskelverspannungen, kommt für Broll-Zeitvogel bei gleichzeitigen Schlafproblemen die Kombination etwa von Tetrazepam (etwa Musaril®) abends als schlafinduzierendes, muskelentspannendes Mittel infrage. Ist die Rücken-Streckmuskulatur verspannt, kann der Patient aber gut schlafen, wählt die Orthopädin dagegen das nicht zentral wirksame, aber ebenfalls muskelrelaxierende Pridinolmesilat (Myoson®).

Haben Patienten länger als drei Wochen Schmerzen oder kommen sie erst nach mehreren Wochen wegen ihrer Rückenschmerzen, ist auch Tolperison (Mydocalm®) für Broll-Zeitvogel eine Option. "Bei chronischen Schmerzen, also ständigem nozizeptiven Input, verändern sich das erste und das zweite Neuron im ZNS. Es werden verstärkt Natrium-Kanäle eingebaut. Heute wissen wir, daß Tolperison selektiv an diese verstärkt gebildeten Kanäle geht." Die Substanz greife so in Chronifizierungsprozesse bei Schmerz ein.



Infos zum Tag der Rückengesundheit

Um Rückenschmerzen geht’s am Montag beim Tag der Rückengesundheit, den das Forum Schmerz des Deutschen Grünen Kreuzes (dgk) veranstaltet (wir berichteten). Bundesweit sind Aktionen und Beratungen geplant.

Infos beim Forum Schmerz, Tel: 064 21 / 293-125 , oder im Internet: www.forum-schmerz.de

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