Rückenschmerzen

Finger weg von Opioid und Op!

Bei chronischen Rückenschmerzen werden gerne Opioide verschrieben - doch sie nützen wenig, wie jetzt Studien belegen. Nach neuen Erkenntnissen sollten Ärzte den Geplagten auch nicht zu einer Operation raten.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Patienten mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen sollte von einer Op abgeraten werden.

Patienten mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen sollte von einer Op abgeraten werden.

© djma/fotolia.com

MAINZ. Eine multidisziplinäre Therapie ist heute bei unspezifischem chronischem lumbalem Rückenschmerz zwar Standard, aber zum einen profitieren hiervon nicht alle Patienten, zum anderen setzen immer noch viele Ärzte und Patienten auf brachialere Methoden wie eine Operation oder eine Opioidtherapie.

So erfreute sich gerade die Verwendung von Opioiden bei chronischen Lumbalschmerzen in den vergangenen Jahren einer zunehmenden Beliebtheit, und das auch zur Langzeittherapie, sagte Professor Arne May von der Universität in Hamburg.

Opioide sind riskant, aber nicht wirksamer als NSAR

Der Schmerzexperte verwies auf der Fortbildungsveranstaltung Neuro Update in Mainz auf eine Cochrane-Analyse, die den Nutzen von Opioiden bei solchen Patienten deutlich in Zweifel zieht. Ausgewertet wurden 15 Studien mit zusammen über 5500 Teilnehmern (Cochrane Database Syst Rev. 2013; Aug 27; 8: CD004959).

In allen Studien wurde eine Opioidtherapie über mindestens vier Wochen gegen Placebo oder andere Therapieformen geprüft. Hierbei hatte transdermales Buprenorphin praktisch keinen Effekt auf die Funktionsfähigkeit der Patienten und nur einen geringen auf den Schmerz.

Tramadol sowie starke Opioide (Morphin, Hydromorphin, Oxycodon) zeigten in mehreren Studien im Vergleich zu Placebo zwar eine moderate Wirksamkeit beim Schmerz und auch auf die Funktionsfähigkeit, allerdings waren diese Effekte in zwei Vergleichsstudien nicht stärker als bei einer Therapie mit Antidepressiva oder Cox-2-Hemmern.

May bemängelte zudem, dass die Studien oft viel zu kurz waren, um funktionelle Verbesserungen zuverlässig nachzuweisen, dass die Abbruchraten oft sehr hoch waren und dass über Nebenwirkungen und Risiken, etwa eine Abhängigkeit, kaum berichtet wurde.

Er sieht daher allenfalls eine niedrige bis moderate Evidenz für einen Nutzen von Opioiden in der Kurzzeittherapie bei chronischen Rückenschmerzen, der Nutzen sei letztlich aber nicht stärker als unter NSAR und Antidepressiva, dafür mit deutlich höheren Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

Für die Langzeittherapie gebe es bislang gar keine placebokontrollierten Studien, die eine Wirksamkeit und Sicherheit dokumentierten. Daraus zog May den Schluss: "Finger weg von Opioiden bei unspezifischem chronischem Rückenschmerz."

Kein Nutzen - trotzdem wird munter weiter operiert

Ähnlich kritisch sieht May die noch immer häufig praktizierten Operationen bei Rückenschmerz. Erhellend war für ihn eine Analyse sämtlicher Studien mit chirurgischen Interventionen, die zwischen 1993 und 2012 veröffentlicht wurden (Spine J 2013; 13: 1698).

Bis 2006 gab es vier Studien, in denen der Nutzen einer Op mit anderen Verfahren verglichen wurde - sie hätten letztlich gezeigt, dass die Op bei unspezifischem Schmerz nichts bringt.

Im gleichen Zeitraum wurden in 17 Studien unterschiedliche Op-Methoden verglichen, obwohl sich die Op offenkundig als das falsche Verfahren bei Rückenschmerz herausstellte. Haben die Ärzte nach 2006 daraus etwas gelernt? Auf keinen Fall, so May.

Bis 2012 gab es zwei weitere Studien, die zeigten, dass eine Op nichts nützt, und dennoch wurden weitere 16 Studien gemacht, in denen die Chirurgen schauten, "ob man die Operation, die nicht funktioniert, noch etwas verbessern kann".

Als Beispiel für den nicht vorhanden Nutzen der Op nannte May eine aktuelle Langzeitanalyse von drei Studien mit zusammen 473 Patienten, die entweder über einen multidisziplinären und verhaltenstherapeutischen Ansatz behandelt wurden oder sich einer Spinalfusion unterzogen (Spine J 2013; 13: 1438).

Nach im Schnitt elf Jahren gab es keine klinisch signifikanten Unterschiede bei der Lebensqualität, der Schmerzwahrnehmung oder dem Grad der funktionellen Einschränkungen. Letztlich gebe es also auch keine Evidenz für Spondylodesen und Facettengelenksblockaden bei unspezifischen chronischen Rückenschmerzen.

May zieht daraus ein klares Fazit: "Nicht operieren und den Patienten unbedingt von einer Op abraten."

Tag der Rückengesundheit am 15. März

"Tu's für Dich - täglich 15 Minuten Rückenfitness!" ist das Motto des Tages der Rückengesundheit am 15. März. Die Aktion Gesunder Rücken (AGR) und der Bundesverband der deutschen Rückenschulen (BdR) wollen zur Prävention beitragen (www.tag-der-rueckengesundheit.de).

Aufgerufen wird zur aktiven Vorsorge von Rückenbeschwerden. Die Menschen sollen dabei auch ermuntert werden, ihre psychosoziale Gesundheit zu stärken: das heißt, eigene Bedürfnisse wahr- und ernst zu nehmen. Regelmäßige Fitnessübungen sollen zudem Kraft, Ausdauer und Koordination der Muskulatur stärken und so den Rücken stabilisieren.

Die Organisationen ermuntern zu vielen kleinen Aktivitäten: Spazieren gehen, Gartenarbeit, Freizeitsport, Gymnastik, Tanzen, Entspannen und Massagen, aber auch gemeinsames Essen seien für den Rücken positiv. Bei Tätigkeiten am Schreibtisch wird appelliert, einmal pro Stunde aufzustehen, regelmäßig die Sitzposition zu verändern und möglichst viele Dinge wie Telefonate im zu Stehen erledigen. (eb)

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