Gegen Rückenschmerzen

Erst Muckibude, dann Psychologe

Werden Rückenschmerzpatienten beim Krafttraining psychologisch begleitet, scheint dies den Erfolg des Trainings zu verstärken. Schmerzen, Ängste und Vermeidungsverhalten gehen dann etwas stärker zurück.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Erst Muckibude, dann Psychologe

© selimaksan / iStock / Thinkstock

MAGDEBURG. Gegen chronische Rückenschmerzen setzen Ärzte zunehmend auf multimodale Konzepte. Empfohlen werden in der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz etwa eine "konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität (Bewegungstherapie, Sporttherapie) mit Motivierungs- und Beratungselementen" sowie psychotherapeutischen Maßnahmen "zur Veränderung eines maladaptiven, auf Ruhe und Schonung oder Durchhalten ausgerichteten Krankheitsverhaltens".

Zudem sollen die Betroffenen eigene Ressourcen im Umgang mit Schmerz stärken sowie von Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken profitieren.

In einer Studie mit 64 rückenschmerzgeplagten Polizeibeamten haben Sportwissenschaftler und Arbeitsmediziner um Denis Kirchhoff von der Universität Magdeburg nun geprüft, ob psychopädagogische Therapien auch noch bei solchen Patienten etwas nützen, die bereits an einem Krafttraining teilnehmen (Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2016; 66(1):10-19).

 Die Forscher gingen davon aus, dass solche Interventionen den Erfolg des Krafttrainings verstärken können. So ist es nicht immer der Schmerz an sich, der die Patienten von Sport und präventiven Tätigkeiten abhält, sondern auch die Aufmerksamkeit, die Patienten dem Schmerz schenken.

Mit Belastungsschmerz konfrontiert

Tag der Rückengesundheit am 15. März

Der Tag der Rückengesundheit wurde im Jahr 2002 durch das Forum Schmerz im Deutschen Grünen Kreuz eingeführt. Der BdR e. V. (Bundesverband deutscher Rückenschulen) hat mittlerweile die Schirmherrschaft übernommen.

Mit dem Aktionstag wird zur aktiven Prävention von Rückenbeschwerden aufgerufen.

Das Motto des 15. Tages der Rückengesundheit „Ergodynamik – bringen Sie Ihren Alltag in Bewegung!“

Infos im Web: http://bdr-ev.de

Die teilnehmenden Polizisten hatten chronisch-rezidivierende lumbale Rückenschmerzen, waren im Schnitt 47 Jahre alt und größtenteils deutlich übergewichtig. Alle nahmen zwei- bis dreimal wöchentlich an einem einstündigen gerätebasierten Krafttraining teil.

 Insgesamt absolvierten die Beamten 24 Trainingseinheiten in drei Phasen. Hauptbestandteil war ein dynamisches Training der Rumpfmuskulatur (Rumpfextensoren, Rumpfflexoren, Rumpflateralflexoren, Rumpfrotatoren).

In der ersten Phase blieb die Intensität sehr gering. Die Teilnehmer sollten zunächst die Bewegungsabläufe einstudieren und auf diese Weise bereits etwas Zuversicht in ihre Leistungsfähigkeit gewinnen. In der zweiten Phase wurde es schon deutlich anstrengender, schließlich durften sich die Probanden in der dritten Phase bis zur Erschöpfung verausgaben.

Zusätzlich zum Krafttraining erhielt die Hälfte der Polizisten eine psychologisch-pädagogische Intervention. Die Männer wurden zum einen über Verhaltensweisen informiert, die Rückenschmerzen begünstigen, zum anderen konfrontierten die Therapeuten sie mit angstauslösenden Situationen und versuchten gezielt, schädliche Überzeugungen zu hinterfragen, etwa die Vorstellung, sie dürften sich nicht körperlich belasten.

 Die Teilnehmer sollten schließlich ermuntert werden, ihren Alltag aktiver zu gestalten, und erfahren, dass sie selbst etwas gegen die Schmerzen tun können.

Die Therapeuten versuchten auch, ihnen das ständige Lamentieren über die Schmerzen abzugewöhnen. Stattdessen wurden sie bei Übungen gezielt mit Belastungsschmerzen konfrontiert.

Diese Schmerzen vermittelten die Therapeuten als notwendigen Bestandteil auf dem Weg zum Muskelaufbau, zur Rückenstärkung und letztlich zur Schmerzfreiheit. Die psychopädagogische Betreuung fand während des Trainings und in den Pausen statt.

Kraft gesteigert

Zum Studienbeginn und am Ende bestimmten die Forscher die maximalen isometrischen Drehmomente der einzelnen Rumpfmuskeln. Im Laufe der Studie verbesserte sich die Kraft dieser Muskeln in allen Bewegungsrichtungen signifikant, und zwar in beiden Gruppen praktisch gleich stark.

Zum Studienende hatten die isometrischen Maximalkraftwerte in der Interventionsgruppe um 54 Prozent zugenommen, 55 Prozent waren es in der Kontrollgruppe.

Signifikante Unterschiede gab es jedoch beim Angst-Vermeidungsverhalten, das mit dem Fear-Avoidance-Beliefs-Questionnaire (FABQ, maximal 90 Punkte) erfasst wurde. Der Gesamtwert sank in der Interventionsgruppe mit psychopädagogischer Betreuung von 40 auf 25, in der Kontrollgruppe nur von 38 auf 31 Punkte.

Interessant sind auch die Veränderungen bei der Schmerzintensität. Diese ging auf einer visuellen Analogskala (maximal 10 Punkte) in der Interventionsgruppe von 4,2 auf 0,6 zurück, in der Kontrollgruppe von 3,1 auf 1,0.

Die Schmerzen waren also bei den meisten Teilnehmern in beiden Gruppen fast verschwunden, wobei der Effekt in der Interventionsgruppe noch etwas, wenn auch nicht signifikant, stärker ausgeprägt war.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass die psychopädagogische Therapie eine günstige Einstellung zu Aktivität und Bewegung fördert. Dadurch können Patienten möglicherweise besser mit den auftretenden Schmerzen umgehen und höhere Trainingsintensitäten tolerieren. Auf Dauer lasse sich dadurch die Rückenmuskulatur womöglich ausgeprägter stärken.

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