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Immer mehr Kinder haben's im Kreuz

Rückenschmerzen sind auch bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet und haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Eine Studie kommt zu erschreckenden Ergebnissen.

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Zu wenig Bewegung: Mehr als drei Viertel der befragten 11- bis 17-Jährigen gaben an, in den letzten drei Monaten Schmerzen gehabt zu haben.

Zu wenig Bewegung: Mehr als drei Viertel der befragten 11- bis 17-Jährigen gaben an, in den letzten drei Monaten Schmerzen gehabt zu haben.

© Christian Schwier / Fotolia

Rückenschmerzen bei Kindern waren früher ein seltenes Phänomen. Dass sich das geändert hat, zeigt die europaweit größte Kinderstudie KiGGS des Robert Koch-Instituts mit 17.641 Kindern und Jugendlichen.

Mehr als drei Viertel der 11- bis 17-Jährigen gaben an, in den letzten drei Monaten Schmerzen gehabt zu haben. Fast die Hälfte davon klagten dabei über Rückenschmerzen.

Treten solche Beschwerden regelmäßig auf, dann sollten Eltern unbedingt die Ursache vom Arzt abklären lassen, betont Professor Berthold Koletzko, der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit. Bei einem Teil der Betroffenen sind organische Erkrankungen wie Skoliose oder Morbus Scheuermann zu erwarten. Aber vor allem auch ein bewegungsarmer Lebensstil führt bei Kindern zu Beschwerden.

In einer Mitteilung der Stiftung verweist er auf zwei Störungsbilder des Rückens, die gerade bei Jugendlichen besonders häufig sind.

Frühes Erkennen von Fehlstellungen wichtig

Bei etwa jedem 200. Kind in Deutschland muss mit Skoliose gerechnet werden, berichtet Koletzko in einer Mitteilung seiner Stiftung. Mädchen sind von Skoliose viermal häufiger und zumeist auch schwerer betroffen als Jungen. Die Ursache der Skoliose ist in der Mehrzahl der Fälle nicht geklärt.

Eltern sollten wissen: Die Skoliosebehandlung hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Diese können aber nur dann genutzt werden, wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt und früh genug dagegen behandelt wird. Je früher Eltern die Entwicklung einer Fehlstellung der Wirbelsäule erkennen, desto weniger aufwändig und belastend sind die notwendigen Maßnahmen zur Behandlung der Skoliose und desto größer sind die Erfolgsaussichten.

Heute werden rund 90 Prozent aller Skoliosen konservativ, also mit Krankengymnastik und gegebenenfalls mit Korsetten behandelt und bedürfen keiner Operation, so die Stiftung in der Mitteilung.

30 Prozent der Jugendlichen haben Scheuermann-Krankheit

Die häufigste Veränderung der Wirbelsäule bei Jugendlichen ist allerdings die Scheuermann-Krankheit. Bei der Verknöcherungsstörung krümmt sich die Wirbelsäule nach vorne, es entsteht ein runder Rücken. Die Krankheit tritt typischerweise im Alter zwischen 8 und 14 Jahren auf.

Vom Morbus Scheuermann sind nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 30 Prozent aller Jugendlichen betroffen, Jungen doppelt so häufig wie Mädchen. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Die Therapie ist vom Ausmaß der Krümmung abhängig.

Diese und andere organische Erkrankungen finden die Ärzte allerdings bei höchstens 15 Prozent von Kindern und Jugendlichen, die über "Rücken" klagen. Was also steckt darüber hinaus hinter den Problemen?

Das Forsa-Institut hat hierzu kürzlich im Auftrag der DAK bundesweit 100 Kinder- und Jugendärzte befragt. Das Ergebnis: Die Pädiater sehen immer mehr Jungen und Mädchen mit Rückenschmerzen in ihren Praxen. Die Beschwerden beginnen nach den Angaben meist schon bei der Einschulung und treten besonders oft bei den 11- bis 14-Jährigen auf.

Grundschulkinder brauchen motorische Förderung

Als häufigste Ursachen für die Zunahme vermuteten die Ärzte: zu wenig Bewegung (98 Prozent), Eltern regen nicht genug die motorische Entwicklung ihrer Kinder an (91 Prozent) und die Kinder erhalten zu wenig oder schlechten Sportunterricht in der Schule (60 Prozent).

Auswirkungen des Bewegungsmangels sehen vor allem Sportmediziner. Nach einer aktuellen Studie am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe mit über 1000 Grundschülern verbrachten diese täglich etwa neun Stunden im Sitzen, neun Stunden im Liegen, fünf Stunden stehend und lediglich eine Stunde in Bewegung.

Die Folgen: In einer weiteren Studie erreichten 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen beim Rumpfbeugen nicht das Fußsohlenniveau, 35 Prozent schaffen es nicht,auf einem drei Zentimeter breiten Balken mindestens zwei Schritte rückwärts zu balancieren. Das Fazit der Untersucher 30 bis 50 Prozent aller Grundschulkinder brauchen eine motorische Förderung.

Eltern sollten Vorbilder sein

Die Stiftung Kindergesundheit appelliert dabei vor allem an die Eltern, bewegte Vorbilder für ihre Kinder zu sein. Sie sollten von klein auf mit ihren Kindern gemeinsame Aktivitäten entfalten: lieber mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen, anstatt das Auto zu benutzen oder auch gemeinsam Sport treiben.

Familien sollten dazu auch Bewegungsangebote von Sportvereinen intensiv nutzen. Und außerdem sollte zur Prävention eines bewegungsarmen Lebensstils der Medienkonsum von Kindern rigoros kontrolliert werden. Und an Kommunen appelliert die Stiftung, Bewegungsräume für Kinder zu schaffen, wo diese gefahrlos und weitgehend unbeaufsichtigt spielen können.

Dadurch hätten sie die Chance, dort auch ungeplant andere Kinder zu treffen, die als Spielpartner bei allen Bewegungsaktivitäten benötigt werden. Denn wer allein spielt, bewegt sich wenig. (eb/eis)

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