Rückenschule

Auch nach fast 50 Jahren kaum Evidenz zur Wirksamkeit

Seit genau 47 Jahren gibt es das Konzept der "Rückenschule", doch die Evidenz für eine langfristige Wirksamkeit bei chronischem Rückenschmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule ist bis heute unbefriedigend.

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Konfliktpunkt: Was bringt eine Rückenschule auf lange Sicht gesehen?

Konfliktpunkt: Was bringt eine Rückenschule auf lange Sicht gesehen?

© Esther Hildebrandt / fotolia.com

Ein Hintergrund von Elke Oberhofer

Das weltweit erste Rückenschulprogramm entstand bereits 1969 in Schweden; seitdem haben unzählige Institutionen, von Reha-Kliniken und Betrieben über Krankenkassen bis hin zu Volkshochschulen, Rückenschulen angeboten.

Die Vielfalt der Maßnahmen ist dabei ebenso unüberschaubar wie deren Träger; nicht zuletzt unterscheiden sich die Programme auch in ihrer Zielsetzung. Es werden Trainer oder Lehrer mit unterschiedlichstem Hintergrund eingesetzt, und auch die Klientel ist alles andere als homogen.

Was bringt das: Metanalyse will Antworten liefern

Die große Frage "Was bringt das?" ist daher alles andere als leicht zu beantworten. Nachdem der letzte Cochrane-Bericht zum Thema Effizienz von Rückenschulen über zehn Jahre zurückliegt, hat sich nun ein deutsch-kanadisch-britisches Team die Mühe gemacht, die vorliegende Literatur zu sichten (Pain 2016, online 26. Juli). 31 randomisierte, kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Rückenschulprogrammen bei chronischem Schmerz im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule wurden ausgewertet.

Wie Sebastian Straube von der Abteilung Preventive Medicine an der University of Alberta, Kanada, und sein Team feststellen, lässt sich jedoch auch aus dem entstandenen Review mit Metaanalyse keine klare Schlussfolgerung ableiten.

Begründung: Die Studien seien zu heterogen, das als optimal angesehene Kriterium – in Rückläufer-Fragebögen berichtete Schmerzintensität – wurde unzureichend erhoben, arbeitsbezogene Effekte wurden mit zu großer Variabilität erfasst und die Dokumentation unerwünschter Ereignisse erwies sich als unbefriedigend.

Kein einheitliches Bild in Studien

Immerhin zehn Studien zeichneten sich durch ein geringes Verzerrungsrisiko aus. Aber auch diese kamen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Mal besserte sich der Behinderungsgrad durch die Rückenschule nicht so deutlich wie beispielsweise durch die McKenzie-Intervention, mal war die Rückenschule gegenüber reinem Training im Vorteil, zum Beispiel was den Oswestry Disability Index anbelangte.

In einer Studie bewirkte die Rückenschule im Vergleich mit einer Standardversorgung eine signifikante Verbesserung auf der VAS-Skala und im Roland Morris Disability Questionnaire, in einer anderen war beides nicht der Fall. Mehrere Studien verglichen multimodale Maßnahmen, von denen sich die Rückenschule jedoch nicht isolieren ließ.

Im Nachhinein führten Straube und Kollegen eine Analyse der VAS-Schmerz-Scores bei behandelten Patienten durch. Hier ergab sich zwar ein deutlicher Nutzen der Rückenschule nach ein bis zwei Monaten. Nach vier bis sechs Monaten war der Vorteil jedoch nicht mehr signifikant.

Vier Studien hatten sich dem durch Rückenschmerzen bedingten Arbeitsausfall gewidmet, allerdings, so Straube, partout nicht so, dass man die Daten hätte zusammenführen können.

Lediglich fünf Studien konnten die Forscher in einer Metaanalyse zusammenfassen. Als Kriterium diente der Roland Morris Disability Questionnaire. Ergebnis: Auch hier signifikante Vorteile nach ein bis zwei, aber kein deutlicher Nutzen mehr nach vier bis sechs Monaten.

Placebo? Forscher fordern bessere Daten

Es gibt nach Straube mehrere Phänomene, wodurch die Studien verfälscht worden sein könnten. Das eine sei das der "Kompensation": Arbeiter, die sich durch die Schulung "gewappnet" gegen Rückenschäden fühlen, könnten möglicherweise erst recht riskante Verhaltensweisen an den Tag legen, weil sie die "Schutzwirkung" überschätzten. Sie würden dann zum Beispiel größere Lasten heben als zuvor.

Auf der anderen Seite müsse man berücksichtigen, dass die Rückenschule selbst einen Placeboeffekt auslösen könne – bei Schmerzen sei es nichts Ungewöhnliches, dass sie sich bereits unter Placebo besserten.

Immer noch werde mit unzureichenden Endpunkten gearbeitet, kritisieren Straube und Kollegen. Man müsse daher nicht nur mehr, sondern auch bessere Studien auflegen.

Was an nicht medikamentösen Maßnahmen sinnvoll sei, habe eine Studie vor wenigen Jahren untersucht. Am besten wirksam (mäßige Effizienz) waren demnach kognitive Verhaltenstherapie, Training, Wirbelsäulenmanipulation und eine interdisziplinäre Rehabilitation.

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