Genetiker entdecken "verstecktes" Syndrom

Bei einigen Patienten mit nicht-syndromalen Gaumenspalten "verstecken" sich wohl milde Syndrom-Formen. Das hat auch Auswirkungen auf die genetische Beratung.

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BONN. Unter dem Van der Woude-Syndrom wird eine seltene Spezialform der Lippen- und Gaumenspalten zusammengefasst. Ein Forscherteam konnte nun zeigen, dass sich unter Patienten mit nicht-syndromal erscheinenden Gaumenspalten Träger einer Genmutation für das Van der Woude-Syndrom "verstecken", teilt die Uni Bonn mit.

Risiko unterschätzt

Bei dem Van der Woude-Syndrom, liegen neben einer Lippen- oder Gaumenspalte charakteristische runde Grübchen der Unterlippe vor. "Dies ist insgesamt ein vergleichbar mildes Syndrom", wird Privatdozentin Dr. Elisabeth Mangold vom Institut für Humangenetik der Uni Bonn zitiert.

"Weitere Symptome bestehen nicht, die Probleme beim Van der Woude-Syndrom unterscheiden sich praktisch nicht von den Problemen bei isolierter Spalte."

Da Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und auch reine Gaumenspalten erblich sind, kommen Betroffene mit Kinderwunsch oft in die humangenetische Sprechstunde. Dann wird die Frage gestellt, wie hoch die Wiederholungswahrscheinlichkeit für eine Spaltbildung beim Nachwuchs ist.

Bei der nicht-syndromalen Spaltbildung liegt dies typischerweise unter zehn Prozent, meist sogar unter fünf Prozent. Bei der nicht-syndromalen Gaumenspalte wurde das Risiko im Einzelfall aber teilweise unterschätzt, wie nun die Humangenetiker herausgefunden haben.

Schon länger hatten die Forscher die Vermutung, dass sich unter den Patienten mit scheinbar nicht-syndromalen Spalten unerkannte milde Syndrom-Formen "verstecken".

Das internationale Forscherteam untersuchte nun das Erbgut von zahlreichen Patienten mit nicht-syndromal erscheinenden Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und reinen Gaumenspalten auf Mutationen im GRHL3-Gen, einem Gen für das Van der Woude-Syndrom (Am J Hum Gen 2016; online 24. März).

"Zwei wichtige Ergebnisse haben wir erzielt: Erstens leistet eine milde Variante in diesem Gen einen Beitrag zur Entstehung nicht-syndromaler Gaumenspalten. Und zweitens haben wir bei neun Personen aus vier Familien starke Mutationen in diesem Gen gefunden", sagt Dr. Kerstin U. Ludwig vom Institut für Humangenetik und dem Life & Brain Zentrum der Uni Bonn.

Alle Mutationsträger haben reine Gaumenspalten, ihnen fehlen jedoch die typischen Grübchen an der Unterlippe. Weil dieses charakteristische Symptom fehlt, waren sie nicht als Patienten mit Van der Woude-Syndrom erkannt worden.

Nach "Syndrom-Gen" suchen

"Unser Resultat ist wichtig für die genetische Beratung", sagt Mangold. "Die Wahrscheinlichkeit für eine Spaltbildung im Gaumen ist bei den Kindern von Trägern einer GRHL3-Genmutation nämlich viel höher als bei der nicht-syndromalen Gaumenspalte."

Die Wahrscheinlichkeit für eine Gaumenspalte bei GRHL3-Mutation beträgt etwa 70 Prozent, außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, heißt es in der Mitteilung.

Es könne daher sinnvoll sein, auch bei scheinbar nicht-syndromaler Gaumenspalte nach Mutationen in dem "Syndrom-Gen" zu suchen. Insgesamt sind Mutationen im GRHL3-Gen aber selten, und selbst bei Nachweis dieses "versteckten" Van der Woude-Syndroms muss man wissen, "dass sich die Spalten im Mundbereich heutzutage sehr gut operativ behandeln lassen", so Mangold. (eb)

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