HINTERGRUND

Reiten und Inline-Skaten bei Fußarthrose, Radfahren bei Hüftverschleiß - diese Empfehlungen sind gut!

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Von Thomas Meißner

Sportliche Menschen mittleren Alters können sich oft nicht damit abfinden, daß manche Bewegungen nicht mehr mit gewohnter Intensität bewältigt werden können. Sie kommen dann in die Praxis ihres Hausarztes oder eines Sportmediziners mit der Bitte um Hilfe. Was kann Patienten empfohlen werden, besonders wenn sie bereits eine Arthrose haben?

Sport aktiviert Chondrozyten durch mechanische Stimulation

Privatdozent Jürgen Freiwald von der Bergischen Universität in Wuppertal und seine Kollegen beschreiben die Zwickmühle: Einerseits hat Bewegung positive Effekte. Gelenkstoffwechsel und Transport von Ernährungsstoffen und metabolische Abbauprodukten werden angeregt, die mechanische Stimulation führt zu einer verstärkten Aktivität der Chondrozyten. Außerdem wirkt Sport bekanntermaßen präventiv gegen Herz-Kreislaufkrankheiten und Osteoporose.

Andererseits könne derselbe Patient auf die gleiche Belastung zu einem anderen Zeitpunkt mit Schmerzen, Entzündung und Degeneration reagieren, so Freiwald ("Sportorthopädie - Sporttraumatologie" 19, 2003, 197). Und: Auch angepaßte sportliche Bewegungen könnten Ursache für Arthrose sein. Eine generelle Empfehlung standardisierter Bewegungsprogramme sei damit hinfällig.

Folgende Fragen sollten, abgesehen von den klinischen und radiologischen Befunden, geklärt werden, um Sportarten bei Arthrose empfehlen zu können, die das Fortschreiten der Erkrankung nicht beschleunigen:

  • Gibt es beruflich oder durch Freizeitsport bedingte Über- und Fehlbelastungen von Gelenken, und wie oft treten Zeichen einer aktivierten Arthrose (Schmerzen, Schwellung) auf? Maurer haben etwa eine erhöhte Prävalenz von Schultergelenksarthrosen, bei Fußballspielern ist besonders das Hüftgelenk des Standbeins betroffen.
  • Ist die gewünschte Sportart bereits früher ausgeübt worden? Es ist wenig sinnvoll, mit 65 Jahren noch einen Anfängerkurs für alpines Skifahren zu absolvieren, da etwa die Koordination nicht mehr optimal ist.
  • Wie ist die Intensität der derzeitigen sportlichen Aktivität biomechanisch einzuschätzen? Es besteht bei manchen Sportlern die Gefahr, daß sie, etwa nach Verordnung von Analgetika, die gewonnene Schmerzfreiheit nutzen, weiter sportliche Extremleistungen zu vollbringen.
  • Wie steht es um die Muskeln des betroffenen Gelenkes? Womöglich ist es notwendig, die Muskeln durch Krankengymnastik zu stärken.

Für viele Arthrosepatienten gibt es geeignete Sportarten

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) empfiehlt gleichmäßige, rhythmische Bewegungen wie bei den klassischen Ausdauersportarten (Schwimmen, Radfahren, Dauerlauf, Walking, Skilanglauf) zu bevorzugen. Diese Sportarten sind nach Angaben der DGSP bei verschiedenen Arthrosen empfehlenswert:

  • Bei Fußgelenksarthrose: Rudern, Reiten, Schwimmen, Radfahren, Inline-Skating, Aquajogging.
  • Bei Kniegelenksarthrose: Gymnastik, Radfahren, Walking, Kraulschwimmen, Aquajogging.
  • Bei Hüftgelenksarthrose: Gymnastik, Schwimmen, Radfahren, Walking, Aquajogging.
  • Beim LWS-Syndrom: Gymnastik, Schwimmen, Skilanglauf, Walking, Reiten, Aquajogging, Inline-Skating.
  • Beim HWS-Syndrom: Gymnastik, Skilanglauf, Walking.
  • Beim Schulter-Arm-Syndrom: Gymnastik, Schwimmen, Skilanglauf, Walking, Aquajogging.

Beim Wandern verhindern gutes Schuhwerk, eventuell mit Einlagen oder Fersenpolstern, sowie Stöcke Überlastungen. Wer Inline-Skating betreibt, sollte die Protektoren nicht vergessen. Das kann auch für das Fahrradfahren gelten.

Freiwald und seine Kollegen raten Patienten davon ab, sich nach populärwissenschaftlichen Ratgebern zu Bewegung und Sport bei Arthrose zu richten.

Denn die darin enthaltene Empfehlungen seien sehr oft nicht wissenschaftlich-epidemiologisch fundiert.

Weitere Infos zu Sport bei Arthrose unter: www.dgsp.de/ds-e019.htm,



FAZIT

Gegen sportliche Betätigung bei Arthrose ist prinzipiell nichts einzuwenden. Allerdings müssen Art und Intensität der Belastung stets individuell abgewogen werden, je nach Gelenkbelastungen durch Beruf oder Hobby und Lokalisation der Arthrose. Die gleichmäßigen rhythmischen Bewegungen der klassischen und modernen Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Inline-Skating sollten bevorzugt werden. Populärwissenschaftliche Bücher zu Sport und Arthrose sind für Patienten wegen oft nicht fundierter Empfehlungen ungeeignet. (ner)

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