Plädoyer für einen rationalen Umgang mit der Coxib-Therapie

Nicht wenige Patienten und Ärzte bedauern, daß Rofecoxib, ein gut verträgliches, magenschonendes Antiarthrotikum nicht mehr zur Verfügung steht. Auch jetzt brauchen Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem Risiko, die Arthrose oder Arthritis haben, eine Coxib-Therapie, sagt Professor Josef Zacher aus Berlin-Buch. Und er plädiert für einen rationalen Umgang mit der Therapie. Dazu gehört, wie Zacher im Gespräch mit Dieter Rödder erläutert, gastrointestinales und kardiovaskuläres Risiko der Patienten adäquat zu berücksichtigen.

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Forschung und Praxis (FuP): Herr Professor Zacher, nach der Rücknahme von Rofecoxib, wegen einer erhöhten Rate kardiovaskulärer Ereignisse in einer Studie bei Daueranwendung über lange Zeit, ist ein magenschonendes Antiarthrotikum und Schmerzmittel nun weggefallen. Was sind Konsequenzen für die Praxis?

Zacher: Nicht wenige Patienten und Ärzte bedauern, daß ihnen ein wirksames und gut verträgliches Arzneimittel nicht mehr zur Verfügung steht, mit dem sie gute Erfahrungen gemacht haben. Die inzwischen beim Amerikanischen Rheumatologen-Kongreß vorgestellten Daten der Approve-Studie belegen, daß nach 18 Monaten Dauertherapie erstmals erhöhte Herzinfarkt-Raten im Vergleich zu Placebo sichtbar wurden. Nach 34 Monaten wurde der Unterschied signifikant.

Viele Wissenschaftler sind allerdings der Meinung, daß diese Studie nicht zur Rücknahme hätte führen müssen. Man hätte die Fachinformation ändern können. Wohl nicht zuletzt wegen der speziellen haftungsrechtlichen Gegebenheiten in den USA hatte die Firma Merck & Co, in Deutschland MSD, das Präparat weltweit vom Markt genommen.

FuP: Welche Patienten sollten überhaupt ein Coxib bekommen? Und was sollten Ärzte beachten, die Patienten mit Rofecoxib behandelt haben und weiter eine Coxib-Therapie machen wollen?

Zacher: Die Indikation eines Coxibs ist vor allem für Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem Risiko gegeben, wenn sie Schmerzen und Funktionseinschränkungen bei Arthrose oder Arthritis haben. Ein erhöhtes gastrointestinales Risiko haben nach übereinstimmenden Leitlinien Patienten über 65 Jahre, Patienten mit Ulkus-Anamnese, Patienten, die eine Steroidtherapie bekommen, und Patienten mit einer dauernden Antikoagulation.

FuP: Darunter sind viele, die auch ein erheblich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben ...

Zacher: Ja, dies betrifft etwa Patienten mit einem schlecht eingestellten Hochdruck oder Diabetes mellitus und mit Angina pectoris. Diese Patienten müssen entsprechend den Guidelines / Empfehlungen der Fachgesellschaften mit einer Substanz behandelt werden, die thromboembolischen Ereignissen vorbeugt, meist ist dies ASS.

Bei Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko müssen beide Risiken adäquat berücksichtigt werden. Für diese Situation haben wir momentan für die Langzeittherapie keine wissenschaftlichen Vergleichsstudien. Wir müssen auf theoretisches Wissen zurückgreifen und auf das Wissen zu diesen Risikopatienten bei anderen Indikationen. Heute wird von Kardiologen, Gastroenterologen, Rheumatologen und Orthopäden deshalb in Übereinstimmung für solche Patienten die Kombination Coxib, ASS und Protonenpumpenhemmer als am besten verträgliche und sicherste, wenn auch teuerste, angesehen.

Ob die preisgünstigere Kombination NSAR, ASS und Protonen-Pumpen-Hemmer bei der Verträglichkeit und Sicherheit gleichwertig ist, ist nicht durch Vergleichsstudien belegt. Die bessere Verträglichkeit der Kombination Coxib, ASS und Protonen-Pumpen-Hemmer im Vergleich zur Kombination mit NSAR ist durch belastbare Daten belegt. Mit dem derzeitigen Wissen sollte man grundsätzlich bei einer Coxib-Dauertherapie regelmäßig überprüfen, ob nicht eine niedrigere Dosis angebracht ist, oder einen Auslaßversuch machen. Spätestens nach 12 bis 18 Monaten empfehlen wir, eine Therapiepause zu machen.

FuP: Im Zusammenhang mit den Diskussionen nach der Rücknahme von Rofecoxib war zu lesen, als Alternative könne man auf bewährte Präparate zurückgreifen. Was ist damit gemeint und davon zu halten?

Zacher: Der Ausdruck "bewährte" Präparate in diesem Zusammenhang ist problematisch. Für klassische nicht-steroidale Antirheumatika oder Paracetamol, die leitliniengemäß bei Arthrose eingesetzt werden können, gibt es keine Daten aus Langzeitstudien länger als zwölf Monate zur Verträglichkeit und kardiovaskulären Sicherheit der Substanzen.

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