Arthroskopie

Ruf nach Neubewertung

Die arthroskopische Knie-Op bringt im Hinblick auf Arthroseschmerzen nur unwesentlich mehr als eine Scheintherapie. Nach Einzelstudien kommt nun auch eine Metaanalyse zu diesem Ergebnis. Die Autoren fordern das Aus für den potenziell schädlichen Eingriff.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Arthroskopie am Knie: In Deutschland werden jedes Jahr etwa 100.000 solcher Eingriffe vorgenommen.

Arthroskopie am Knie: In Deutschland werden jedes Jahr etwa 100.000 solcher Eingriffe vorgenommen.

© Mathias Ernert

ODENSE. Die therapeutische Kniearthroskopie mit partieller Entfernung des Meniskus gehört zu den häufigsten operativen Eingriffen in den USA und in Europa.

In Deutschland werden jedes Jahr etwa 100.000 solcher Operationen bei Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen durchgeführt.

Dadurch werden Arthroseschmerzen im Knie allerdings nicht besser beseitigt als mithilfe nicht operativer Maßnahmen; dies haben bereits mehrere randomisierte Studien gezeigt.

Minimaler Effekt von kurzer Dauer

Eine Metaanalyse fasst nun die Ergebnisse aus neun relevanten Studien zum Thema zusammen - und kommt zu demselben Schluss: Die therapeutische Arthroskopie mit Lavage und gegebenenfalls zusätzlichem Débridement ist im Routineeinsatz bei degenerativen Kniegelenkschäden wenig sinnvoll (BMJ 2015; 350: h2747).

Wie die Autoren um Professor Jonas Bloch Thorlund von der University of Southern Denmark zeigen konnten, bringt sie im Hinblick auf den Endpunkt Schmerzen nur einen Hauch mehr als verschiedene konservative Therapien, und selbst im Vergleich mit einer Scheinoperation ist der Vorteil nur minimal.

Bereits nach ein bis zwei Jahren hat sich der Effekt außerdem wieder verflüchtigt.

Dabei ist die Knie-Op potenziell mit einer Reihe ernster Nebenwirkungen wie Thromboembolien und Infektionen belastet. Diese treten zwar verhältnismäßig selten auf. Bezogen auf die Häufigkeit, mit der die Operation durchgeführt wird, ist jedoch schon ein kleiner Prozentsatz solcher Ereignisse zahlenmäßig relevant.

Die in die Metaanalyse einbezogenen Studien beinhalten Daten von insgesamt 1270 Patienten mit einer relativ großen Bandbreite von Diagnosen: von der degenerativen Meniskusläsion ohne sichtbare Zeichen einer Arthrose im Röntgenbild bis hin zur Läsion mit nachgewiesener Arthrose.

Verglichen wurde die therapeutische Arthroskopie mit nicht chirurgischen Maßnahmen wie Schein-Op, Training oder medikamentöser Behandlung der Schmerzen. Patienten mit begleitender Kreuzbandverletzung waren ausgeschlossen.

Die Patienten waren im Schnitt zwischen 49,7 und 62,8 Jahre alt. Vor dem Eingriff bewegte sich die subjektive Schmerzstärke auf einem Niveau zwischen 36 und 63 mm auf einer 100-mm-Analogskala (VAS).

Auf der VAS werden Werte von kein Schmerz (0 mm) bis zu größtmöglichen Schmerzen (100 mm) abgedeckt.

Linderung geringer als mit NSAR

Das Ergebnis der primären Endpunktanalyse im Hinblick auf postoperative Schmerzen war zwar statistisch gesehen signifikant: Verglichen mit jeglicher Kontrolltherapie wurde eine Effektstärke der arthroskopischen Op von insgesamt 0,14 ermittelt.

Nach Angaben der Forscher entspricht dies einem hauchdünnen Unterschied von 2,4 mm auf der VAS-Skala. Zum Vergleich: Die Effektstärke für NSAR bei Knieschmerzen beträgt 0,29; wer dreimal wöchentlich das Knie trainiert, erzielt im Mittel einen Effekt von 0,68.

Die Operation zeigte zwar kurzfristig Wirkung; der Nutzen hielt jedoch nicht lange an: Lag die Effektstärke nach drei Monaten noch bei 0,27, fiel sie nach einem halben Jahr auf 0,18 und nach einem Jahr auf 0,06. Für den Parameter "Funktion" war der Nutzen von vornherein unerheblich (Effektstärke 0,09), sowohl kurz nach dem Eingriff als auch im weiteren Verlauf.

Eine Subanalyse, in der zwischen den verschiedenen Op-Methoden (partielle Meniskektomie mit oder ohne Débridement) unterschieden wurde, führte zu keinem anderen Ergebnis, weder hinsichtlich Schmerzen noch in puncto Funktion.

Was die Autoren beunruhigt, ist die Inzidenz tiefer Venenthrombosen: 4,13 pro 1000 arthroskopische Meniskektomien. Die zweithäufigste Komplikation bei diesem Eingriff waren Infektionen im Kniegelenk (2,11 pro 1000), gefolgt von Lungenembolien (1,45 pro 1000); auch Todesfälle kamen vor, wenngleich sehr selten (0,96 pro 1000). Diese Daten beruhen allerdings lediglich auf zwei Studien; alle anderen hatten in puncto Schadwirkungen wenig nützliche Informationen zu bieten.

Bewegung und Gewichtsreduktion

Das Team um Thorlund fordert nun ein Umdenken bei Patienten mittleren Alters mit Knieschmerzen: "Die verfügbare Evidenz spricht für eine Abkehr von der gängigen Praxis", so die Autoren.

Die arthroskopische Knie-Op wird oft routinemäßig bei klinischem Verdacht auf einen Meniskusriss oder bei positiven MRT-Befunden durchgeführt, weil man annimmt, dass die Schmerzen im Knie mit bestimmten sichtbaren Veränderungen zusammenhängen.

Strukturelle Anomalien wie Meniskusriss, Osteophyten, Knorpelschäden oder Knochenmarkläsionen finden sich allerdings auch als Zufallsbefunde im asymptomatischen Knie.

Die Forscher plädieren dafür, sich zunächst an die klinischen Leitlinien zur Kniegelenkarthrose zu halten (Osteoarthr Cartilage 2014; 22: 363). Diese empfehlen als vorrangige Maßnahmen die Aufklärung des Patienten, Bewegung und Gewichtsreduktion.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das Knie bleibt besser zu!

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