HINTERGRUND

Trotz vieler Berichte über Unfälle: Skifahren ist sicher wie nie

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Der Berg ruft: Bei solch einem Panorama geht auch das Herz eines Flachlandtirolers auf und Lust aufs Skifahren macht sich breit.

Der Berg ruft: Bei solch einem Panorama geht auch das Herz eines Flachlandtirolers auf und Lust aufs Skifahren macht sich breit.

© Foto: tm-pictures.ch www.fotolia.de

Die Zahl der Skifahrer steigt und steigt. Trotzdem bleibt die Zahl der Verletzten weitgehend konstant. Zwar sind Skiunfälle immer wieder in den Medien. Statistisch gesehen jedoch ist Skifahren heute so sicher wie nie zuvor. Das sind die Kernaussagen einer breit angelegten Studie zur Unfallhäufigkeit im Skisport, die auf dem Kongress für Wintersportmedizin in Garmisch-Partenkirchen vorgestellt wurde.

11 000 Fragebögen zu Skiunfällen ausgewertet

"Wir haben zwischen 1994 und 2007 über 11000 Fragebögen von Patienten nach Skiunfällen ausgewertet und die Ergebnisse mit den österreichischen Lift-Statistiken in Beziehung gesetzt", sagte Dr. Erwin Aschauer vom Landeskrankenhaus Bad Ischl in Österreich. Das Ergebnis: Das Risiko, heute einen Skiunfall zu erleiden, der einen Arztbesuch erforderlich macht, liege demnach bei etwa 0,7 Prozent pro Saison, so der Experte.

Das ist etwa halb so viel wie vor zehn Jahren. In dieser Zeitspanne hat sich die Zahl der Liftbeförderungen in Österreich auf derzeit knapp eine Milliarde Beförderungen pro Saison fast verdoppelt. Die Gründe für die günstige Entwicklung sind vielschichtig: "Die Pisten werden zunehmend präpariert wie Autobahnen, und viele Gefahrenstellen wurden entschärft", sagte Aschauer. Auch sieht er eine Tendenz, dass die Ausrüstung häufiger erneuert wird. Das ist unter anderen auf den Boom beim Skiverleih zurückzuführen, wo fast nie Ausrüstung angeboten wird, die schon älter als zwei oder drei Jahre ist.

Muster der Skiverletzungen hat sich deutlich verschoben

Was sich in den letzten zehn Jahren allerdings spürbar verschoben hat, ist das Verletzungsmuster. "Das geht parallel mit der Einführung der Carving-Ski", so Aschauer. Diese Ski sind kürzer und wendiger, was das Risiko von Verletzungen der unteren Extremität verringert. So waren im Jahr 1998 noch knapp 55 Prozent aller Verletzungen beim Skifahren im Bereich der unteren Extremität. In der Saison 2006/2007 waren es nur noch etwa 46 Prozent. Entsprechend stieg der relative Anteil von Verletzungen oberhalb der Taille: Die obere Extremität macht mittlerweile knapp 42 Prozent der Unfälle aus, der Rumpf immerhin schon 13 Prozent, eine Verdreifachung gegenüber 1998.

"Erfreulich ist dagegen die Entwicklung bei Unfällen mit Kopfbeteiligung", so Aschauer in Garmisch. Auch hier stieg die Quote als Folge der Einführung der Carving-Ski zwar zunächst an: Nach 8 Prozent im Jahr 1998 waren es 14 Prozent im Jahr 2004. Seither allerdings ist ein deutlicher Rückgang zu beobachten. Im Jahr 2006 waren es noch 9 Prozent, und im Jahr 2007 lag die Quote rekordverdächtig niedrig bei 6,6 Prozent.

"Das korreliert deutlich mit der Verbreitung von Skihelmen", betonte Aschauer. Trugen im Jahr 2006 etwa 15 Prozent der verunglückten Skifahrer Helme, waren es 2007 schon 27 Prozent. Norbert Höflacher von der Stiftung Sicherheit im Skisport konnte die in Österreich erhobenen Daten anhand von Zahlen der deutschen ARAG-Versicherung im Wesentlichen bestätigen: "Auch wir sehen bei den Kopfverletzungen einen starken Trend nach unten, der allerdings noch nicht ganz so ausgeprägt ist. Bei den ARAG-Zahlen liegt die Quote für Kopfverletzungen im Jahr 2007 bei 10,7 Prozent."

Frauen sind nicht häufiger oder schwerer verletzt als Männer

Aufräumen können die Zahlen mit einigen hartnäckigen Vorurteilen über Skiunfälle. So sind Frauen weder häufiger noch schwerer von Skiunfällen betroffen als Männer. Und auch das höhere Alter ist kein spezifischer Risikofaktor. Es gibt allerdings unterschiedliche Risikoperioden bei den Geschlechtern. "Bei Männern ist die Gefahr zwischen 15 und 30 Jahren am höchsten, bei Frauen dagegen zwischen 40 und 50 Jahren", so Aschauer. Ob das jene Frauen sind, die nach jahrelanger kinderbedingter Skifahr-Abstinenz wieder anfangen, die Bretter zu schwingen, sei bisher Spekulation.

Unfallrisiko hängt nicht ab von der Zahl der Skifahrer

Auch die Pistenfrequenz korreliert nicht mit der Häufigkeit von Skiunfällen: So ist das Verletzungsrisiko zwischen 11 und 16 Uhr genauso hoch wie davor oder danach, und am Wochenende und in den Ferien ist es genauso hoch wie in der Nebensaison. "Was die Statistik auch nicht hergibt ist ein oft postuliertes, erhöhtes Risiko am zweiten oder dritten Tag eines Skiurlaubs", betonte Aschauer.

Trotzdem gibt es natürlich Determinanten für Unfälle: schlechte äußere Bedingungen zum Beispiel. "Bei schlechter Sicht und schlechten Pistenverhältnissen sehen wir deutlich vermehrt Unfälle mit Verletzungsfolge", betonte Aschauer. Die vielleicht wichtigste Unfallursache aber bleibt riskantes Fahrverhalten. So seien in der Saison 2006/2007 etwa 15 Prozent der Verletzungen auf Kollisionen infolge unaufmerksamen oder riskanten Fahrstils zurückzuführen gewesen. "Wenn die Beinahe-Kollisionen mit gezählt werden, bei denen ein Ausweichmanöver zum Unfall führte, dann ist es sogar ein Drittel", so Aschauer.

Fazit: Einen Helm zu tragen und die zehn Pistenregeln der internationalen Skiverbände zu beachten schützt am besten davor, einen Arzt im Skiurlaub aufsuchen zu müssen.

Die zehn FIS-Regeln gibt es hier: www.fis-ski.com

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