HWS-Trauma

MRT deckt Instabilitäten auf

Nach einem HWS-Trauma gibt es immer wieder Patienten, die trotz negativen CT-Befunds über Beschwerden klagen. Australische Forscher haben untersucht, was herauskommt, wenn man diese Patienten einer MRT unterzieht.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
MRT nach HWS-Trauma? Forscher halten das in manchen Fällen für gerechtfertigt.

MRT nach HWS-Trauma? Forscher halten das in manchen Fällen für gerechtfertigt.

© digitalefotografien / fotolia.com

SYDNEY. Wenn ein Patient nach einem Unfall über Schmerzen oder Überempfindlichkeit im Bereich der Halswirbelsäule klagt, können neben knöchernen Verletzungen auch Schäden an Bandscheiben oder Bändern zugrunde liegen.

Inwieweit die Computertomografie (CT) in der Lage ist, solche Weichteilschäden aufzudecken, wird kontrovers diskutiert. In Ermangelung klarer Leitlinienempfehlungen setzen nicht wenige Spezialisten im Zweifel ein MRT ein, nicht zuletzt auch, um möglichen Regressansprüchen vorzubeugen.

Um herauszufinden, inwieweit dieses Vorgehen sinnvoll ist, haben Jiun-Lih Lin und Kollegen von der Universität Sydney die Daten von 566 Patienten retrospektiv ausgewertet, die zwischen 2010 und 2013 mit einem stumpfen HWS-Trauma in die Klinik eingeliefert worden waren (Eur J Spine 2016, online 27. Dezember).

In allen Fällen lagen CT-Aufnahmen der Halswirbelsäule vor; diese waren bis Oktober 2012 mit einem 64-Slice-, danach mit einem 256-Slice-Multidetector-Scanner aufgenommen worden. Bei 316 Patienten hatte man zusätzlich MRT-Aufnahmen angefertigt, und zwar mit einem 1,5- oder 3,0-Tesla-Scanner. Patienten mit neurologischen Ausfällen oder mit akutem Bandscheibenvorfall waren von der Studie ausgeschlossen.

Elfmal okkulte Verletzungen

Bei elf Patienten, das entspricht 3,5 Prozent der mittels MRT untersuchten Teilnehmer, offenbarten sich Weichteilverletzungen, die zuvor im CT nicht aufgefallen waren und die die Autoren daher als "okkult" bezeichnen. Das mittlere Alter der Betroffenen lag bei 51 Jahren. Jeweils drei hatten Motorradunfälle erlitten, sich beim Sport verletzt oder waren anderweitig gestürzt.

Der Zehnte war aus größerer Höhe herabgefallen, der Elfte mit dem Fahrrad gestürzt. Bei acht Patienten war der Unfallmechanismus ein Flexionstyp, bei dreien ein Extensionstyp. Alle elf Patienten wiesen eine Berührungsempfindlichkeit in der Mittellinie auf. Der SLIC*Score lag im Mittel bei 3,1 (die Skala reicht von 2 bis 5).

Beurteilung der Stabilität nach Drei-Säulen-Stabilitäts-Theorie

Neben der SLIC hatten die Forscher zur Beurteilung der Stabilität die sogenannte Drei-Säulen-Stabilitäts-Theorie nach Denis herangezogen. Danach wird die Wirbelsäule in anteriore, mittlere und posteriore Säule gegliedert. Die Instabilität hängt in dieser Klassifikation von der Beteiligung der mittleren Säule ab.

Auf dieser Grundlage wurden jeweils zwei Patienten als instabil beziehungsweise potenziell instabil klassifiziert. Drei von ihnen wurden letztlich operativ stabilisiert, darunter zwei vom Flexionstyp 3 (mit Beteiligung des Lig. longitudinale posterius), einer vom Flexionstyp 2. Der SLIC lag bei allen drei bei 5 (bei Werten über 4 geht man von Instabilität aus).

CT-Scans reichten nicht

Lin und Kollegen folgern daraus, dass CT-Scans, auch solche, die mit neuerer Technik angefertigt werden, als alleinige Untersuchung zur Abklärung von Weichteilverletzungen der Halswirbelsäule möglicherweise nicht ausreichen. Um Schäden an Bändern feststellen zu können, die für die Therapieentscheidung ausschlaggebend sein können, sei es in bestimmten Fällen sinnvoll, Stabilitätskriterien auf der Grundlage einer MRT heranzuziehen.

In der vorliegenden Studie betraf dies vor allem die beiden Patienten mit dem Flexionstyp 3. Diese waren nach der negativen CT zunächst entlassen worden, hatten dann aber im dynamischen Röntgenbild eine Subluxation gezeigt, woraufhin die MRT angefordert wurde.

Aussagekraft der Studie ist begrenzt

Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und des retrospektiven Designs ist die Aussagekraft der Studie begrenzt. Gegen den routinemäßigen Einsatz der MRT bei Verletzungen der HWS sprechen deren relativ geringe Verfügbarkeit, Vorbehalte auf Patientenseite und nicht zuletzt die hohen Kosten.

Auch eine vor kurzem publizierte Metaanalyse (Eur Radiol 2017; 27: 1148-1160) kam zu dem Schluss, dass der Zusatznutzen der MRT minimal sei; das Verfahren sei mit einer hohen Rate falsch positiver Befunde behaftet.

Die S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfiehlt die MRT (gleichwertig mit der CT) bei Hinweisen auf eine schwerwiegende HWS-Distorsion, bei fokalneurologischen Auffälligkeiten oder relevanten makroskopischen Weichteilverletzungen sowie bei lang anhaltenden Schmerzen über vier Wochen oder sonstigem Nachweis einer strukturellen Verletzung.

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