Kalifornische Studie

Ist Fingerknacken schädlich? Nein, zumindest nicht kurzfristig

Die Angewohnheit, die Fingergelenke knacken zu lassen, hat wohl keine funktionelle Relevanz, zumindest nicht kurzfristig. Zu diesem Ergebnis kommt eine kalifornische Studie, in der 400 Gelenke unmittelbar vor und nach dem Knacken untersucht wurden.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Vielen Menschen ein Graus: knackende Fingergelenke.

Vielen Menschen ein Graus: knackende Fingergelenke.

© Daniel Karmann/dpa/picture

SACRAMENTO. Das vernehmliche "Knack" aus dem Fingergelenk des Sitznachbarn in der U-Bahn oder im Konzert ist vielen ein Graus. Zwischen 25 und 45 Prozent der Menschen sind Studien zufolge in der Lage, ihre Gelenke absichtlich knacken zu lassen; in der Regel geschieht dies aber nicht als Provokation, sondern weil sich die Betroffenen damit eine Spannungsabfuhr verschaffen wollen.

Im vorletzten Jahr ist man der Quelle des Knackens auf die Spur gekommen: Wie MRT-Untersuchungen in Echtzeit bestätigt haben, handelt es sich dabei um das Phänomen der Tribonukleation: Beim Auseinanderziehen des mit Synovia gefüllten Gelenkspalts entsteht ein negativer Druck, der dadurch zustande kommt, dass zwischen den beiden gegenüberliegenden Gelenkflächen eine visköse Adhäsion besteht. Beim Ziehen wird dieser Kontakt gelöst, und es bilden sich aus dem in der Synovialflüssigkeit gelösten Gas kleine Blasen. Diese Blasenbildung erzeugt das bekannte Geräusch.

Eine aus ärztlicher Sicht wichtigere Frage scheint man jetzt ebenfalls beantworten zu können, nämlich ob das gefährlich klingende Knacken den Fingergelenken unmittelbar schadet. Robert D. Boutin und sein Team von der University of California können diesbezüglich Entwarnung geben, zumindest, was kurzfristige Folgen angeht.

Die Forscher haben die Gelenke von insgesamt 40 asymptomatischen Freiwilligen untersucht. 30 Teilnehmer waren in der Lage, ihre Metakarpophalangealgelenke knacken zu lassen, die restlichen zehn konnten dies nicht. Alle Teilnehmer mussten in Gegenwart der Forscher ihre Finger am Grundgelenk auseinanderziehen. Zuvor war ihnen eine mindestens vierstündige Knackpause verordnet worden. Sowohl vor als auch nach dem Versuch wurden die Teilnehmer auf Schwellungen und Griffstärke der Hand sowie auf Beweglichkeit der Fingergelenke untersucht. Per Ultraschall wurde zudem in Echtzeit beobachtet, was während des Fingerknackens geschah (Clin Orthop Relat Res 2017; 475:1265–1271).

Die Teilnehmer mussten außerdem den sogenannten QuickDASH-Fragebogen ausfüllen, in dem Funktion der Hand, Schmerzen und Einschränkungen in der Beweglichkeit erfasst werden. Der Score setzt sich zusammen aus elf Fragen, für die jeweils Punktwerte zwischen 1 und 5 vergeben werden. Je höher die Gesamtpunktzahl, desto schlechter das Ergebnis.

Die Auswertung erfolgte für 400 einzelne Gelenke. Im Gesamt-Score lagen die Probanden nach dem Versuch nahezu gleichauf: Die QuickDASH-Werte für die Knacker betrugen im Mittel 3,7, bei den Nicht-Knackern 3,2.

Auch bei der mittels Dynamometer gemessenen Griffstärke ergab sich kein nennenswerter Unterschied zwischen den Gruppen. Das Gleiche galt für den Beighton-Test, bei dem geprüft wird, ob der Teilnehmer mit dem Daumen den Unterarm erreicht oder ob er den kleinen Finger um 90° oder mehr nach hinten biegen kann.

Allerdings konnten die Forscher geringfügige, aber signifikante Unterschiede in der mittels Goniometer gemessenen Beweglichkeit (Range of Motion, ROM) feststellen. Bei den Knöchelknackern war der Winkel zwischen maximal gestrecktem und gebeugtem Finger im Mittel 9° größer als bei den Nicht-Knackern (144° gegenüber 135°). Bemerkenswert war auch, dass sich der ROM-Winkel nach dem Knacken gegenüber vorher vergrößert hatte. Dies war bei den Nicht-Knackern nicht der Fall.

Schwellungen wurden von den orthopädischen Untersuchern in beiden Gruppen nicht beobachtet. Aber wer an den Fingern ein Geräusch erzeugen konnte, war dazu häufig auch an anderen Gelenken in der Lage.

Insgesamt weichen die Befunde deutlich von den Ergebnissen einer früheren Untersuchung ab, in der das Fingerknacken von Schwellungen der Hand und einer Abnahme der Griffstärke begleitet war. Die Autoren dieser ersten Studie hatten auf der Grundlage ihrer Ergebnisse vor dem Fingerknacken gewarnt. Allerdings, so die Autoren der aktuellen Studie, war die besagte Studie methodisch schwächer gewesen als die aktuelle.

Auch hier war das Knacken stets begleitet von einem im Ultraschall deutlich sichtbaren Phänomen. Die Untersucher beschreiben dies als ein "wie aus dem Nichts auftretendes hyperechogenes Aufleuchten im Gelenk". Davon zeigte sich bei denjenigen, bei denen der Zug am Finger lautlos erfolgte, keine Spur.

Was das Fingerknacken langfristig mit den Gelenken macht, insbesondere, ob etwa ein erhöhtes Arthroserisiko besteht, bleibt zu untersuchen.

Mehr zum Thema

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System