Knochenschutz

Viel Milch in der Jugend schützt später nicht vor Brüchen

Offenbar hat der Milchkonsum in der Jugend keine große Bedeutung für die Knochendichte im Alter: In einer Studie ergab sich kein Einfluss auf die Hüftfrakturrate.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Ein hoher Milchkonsum in der Jugend schützt später im Alter offenbar nicht besser vor Hüftfrakturen als ein geringer Konsum?

Ein hoher Milchkonsum in der Jugend schützt später im Alter offenbar nicht besser vor Hüftfrakturen als ein geringer Konsum?

© godfer / fotolia.com

BOSTON. Bis etwa zum 30. Lebensjahr nimmt die Knochenmasse bekanntlich zu und danach langsam ab. Wie dick und stabil die Knochen im Alter sind, hängt also auch davon ab, wie viel Knochenmasse in den ersten drei Jahrzehnten aufgebaut wird.

Am stärksten wächst das Skelett in der Adoleszenz. Wer hier besonders viel Kochen aufbaut, der sollte im Alter auch besonders gut vor Osteoporose und den Folgen geschützt sein - könnte man vermuten.

Da Milchprodukte die wichtigste Kalziumquelle sind, wäre anzunehmen, dass ein hoher Milchkonsum in der Jugend besonders gut vor Knochenschäden im Alter schützt.

In der Tat gibt es einige Beobachtungsstudien, die einen solchen Zusammenhang nahelegen. Doch zwei große Kohortenstudien sorgen nun für Ernüchterung: Offenbar schützt viel Milch in der Jugend nicht vor Hüftfrakturen.

Daten von 62.000 Frauen und 35.000 Männern

Ein Team um Diane Feskanich von der Harvard Medical School in Boston, USA, hat sich Daten der Nurses‘ Health Study und der Health Professionals Study genauer angeschaut (JAMA Pediatr 2013; online 18. November 2013).

In den beiden prospektiven Kohortenstudien wurde Ende der 1980erJahre nach dem Konsum von Milchprodukten in der Kindheit gefragt. Die Teilnehmer mussten sich also daran erinnern, wie viele Gläser Milch sie als Jugendliche täglich getrunken und wie viel Käse sie damals verspeist hatten.

Im Schnitt 22 Jahre später haben sich Feskanich und Mitarbeiter die Zahl der Hüftfrakturen unter den Frauen angeschaut, die mittlerweile die Menopause erreicht hatten, sowie unter den Männern jenseits des 50. Lebensjahres.

Insgesamt konnten sie Angaben von rund 62.000 Frauen und 35.000 Männern auswerten. So beobachteten sie 1226 Hüftfrakturen bei Frauen und 490 bei Männern, bei 18.800 der Frauen (30 Prozent) wurde entweder eine Osteoporose oder eine erniedrigte Knochendichte festgestellt, unter den Männern waren lediglich 1332 oder 4 Prozent betroffen.

Leicht erhöhtes Frakturrisiko bei männlichen Milchtrinkern

Wie die Ärzte aus Boston feststellten, hatten Männer mit hohem Milchkonsum in der Jugend später deutlich häufiger Hüftfrakturen als solche mit niedrigem Konsum.

Pro Glas Milch am Tag war die Rate um etwa 9 Prozent erhöht. Der Zusammenhang schwächte sich aber auf 6 Prozent ab, sobald die Größe der Männer in die Berechnungen einfloss: Große Männer haben ein höheres Frakturrisiko, essen und trinken aber auch generell mehr.

Wurden nun sämtliche bekannte Risikofaktoren für Knochenabbau und Hüftfrakturen berücksichtigt, zeigte sich weder bei Männern noch bei Frauen ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum in der Jugend und der Rate von Hüftfrakturen im mittleren bis höheren Alter. Auch für den Käseverzehr war ein solcher Zusammenhang nicht erkennbar.

Kalziumsättigung in Industrieländern

Die Ernährungswissenschaftlerin Connie Weaver von der Purdue University in West Lafayette, USA, hegt in einem Editorial allerdings Zweifel, ob der Milchkonsum in der Jugend generell ohne Belang für die Knochengesundheit im Alter ist.

Sie vermutet, dass die Versorgung mit knochenwichtigen Mineralien in westlichen Industrieländern auch bei geringem Milchkonsum gesichert ist.

Anders sieht es aber in Ländern aus, die traditionell wenig Milchprodukte konsumieren. So ist die Knochendichte der Bevölkerung in China oder dem ehemaligen Jugoslawien in denjenigen Regionen deutlich erhöht, in denen Milch- und Milchprodukte produziert werden. In solchen Regionen ist zudem die Frakturrate geringer als in den übrigen Landesregionen.

Auch bei Veganern in Europa lässt sich eine deutlich verringerte Knochendichte messen. "Der Nutzen von Milch in einer gut ernährten Bevölkerung ist sicher weit schwieriger nachzuweisen als in Entwicklungsländern", vermutet Weaver.

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