Knochenabbau

Osteoporose bei Patienten in hohem Alter managen

Der größte Risikofaktor für die Osteoporose ist der Alterungsprozess. Zu den altersspezifischen Risikofaktoren zählen eine gestörte biomechanische Adaptation, eine verminderte Regenerationsfähigkeit sowie auch die meist nachlassende körperliche Aktivität.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Chronisch-entzündliche Erkrankungen begünstigen den Knochenabbau im Alter zusätzlich.

Chronisch-entzündliche Erkrankungen begünstigen den Knochenabbau im Alter zusätzlich.

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WÜRZBURG. Trotz ihres chronischen Verlaufs verursacht die Osteoporose oft lange Zeit keine Symptome. Der Rippenbruch nach einem Hustenanfall oder einer heftigen Umarmung ist häufig das erste Alarmzeichen für die seit Langem fortschreitende Krankheit (CME 2015/1-2).

Mit dem ersten Wirbelbruch setzt meist auch der Rückenschmerz ein. Im fortgeschrittenen Stadium der Osteoporose kann sich dieser chronifizieren.

Der größte Risikofaktor für die Osteoporose ist der Alterungsprozess, schreiben Professor Franz Jakob von der Orthopädischen Klinik der Universität Würzburg und Kollegen (Der Internist 2014; 7: 755-761).

Zu den altersspezifischen Risikofaktoren der Osteoporose zählen eine gestörte biomechanische Adaptation, eine verminderte Regenerationsfähigkeit sowie die meist nachlassende körperliche Aktivität.

Die Folgen: Knochenmasse und -qualität schwinden und die Frakturresistenz verringert sich.

Sekundärer Hyperparathyreoidismus kann entstehen

Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Fähigkeit zur Vitamin-D-Produktion in der Haut ab. Gleichzeitig bewirken die nachlassende Magensäureproduktion und die reduzierte Resorptionsleistung des Dünndarms, dass weniger Kalzium resorbiert werden kann.

Ist die Kalziumzufuhr vermindert und besteht ein Vitamin-D-Mangel, kann ein sekundärer Hyperparathyreoidismus entstehen, der die chronische Entkalkung des Skeletts bedingt und Frakturen begünstigt.

Chronisch-entzündliche Erkrankungen wie eine nicht ausreichend therapierbare Rheumatoide Arthritis oder eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sowie ein chronisch proinflammatorischer Zustand, der die Alterung fördert, begünstigen den Knochenabbau zusätzlich.

Dies geschieht durch eine Aktivierung der Osteoklasten und durch die Hemmung von Knochenbildung und -regeneration.

Sekundäre Osteoporose häufig

Im Zusammenhang mit der häufig auftretenden Multimorbidität älterer Menschen werden sekundäre Osteoporosen zunehmend wichtig. Sie werden von Erkrankungen oder Pharmakotherapien, in erster Linie durch Glukokortikoide, begünstigt.

Auch Glitazone, Protonenpumpenhemmer, Psychopharmaka, Schmerzmittel und Diuretika können die Knochenregeneration hemmen, den Abbau beschleunigen oder die Fallneigung verstärken. Zudem beeinflussen chronische Krankheiten wie eine Niereninsuffizienz, ein langjähriger Diabetes oder eine schwere Atherosklerose den Knochenstoffwechsel negativ.

Nicht nur die schwächer werdenden Muskeln und eine schlechtere Koordinationsfähigkeit erhöhen das Sturzrisiko alter Menschen, sondern auch Schwindelsymptome und kognitive Probleme. Hüftfrakturen etwa nehmen zwischen dem 50. und 90. Lebensjahr pro Dekade um das Zwei- bis Vierfache zu, und die Inzidenz von Wirbelkörperfrakturen verdoppelt sich alle zehn Jahre.

Nach Definition des Dachverbandes Osteologie (DVO) steigt das Frakturrisiko um mehr als das Sechsfache, wenn einzelne Wirbelkörperfrakturen zweiten und dritten Grades, multiple Wirbelfrakturen oder mindestens drei nicht vertebrale Frakturen nach dem 50. Lebensjahr ohne schweres Trauma stattgefunden haben.

In einer aktuellen Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine gesicherte Osteoporose bei einem alten Menschen das höchste Risiko für eine zweite Hüftfraktur darstellt (Odds Ratio, OR 10,02).

An zweiter Stelle in der Risikobewertung rangierte der Morbus Parkinson mit einer OR von 2,9, gefolgt von Sehproblemen (OR 2,09), pulmonalen Erkrankungen (OR 1,97), Demenz (1,89)und kardiovaskulären Erkrankungen (OR 1,32).

Basisdiagnostik generell empfohlen

Eine Basisdiagnostik wird, der aktuellen DVO-Leitlinie zufolge, für Frauen ab 70 und Männer ab 80 Jahren generell empfohlen, wenn der Diagnose eine therapeutische Konsequenz folgen könnte. Eine ausführliche Anamnese ist vor allem im Hinblick auf vorliegende Risikofaktoren im höheren Alter wichtig.

Dabei muss auch detailliert auf die Ernährung eingegangen werden. Ab einem Alter von 70 Jahren sollten jährlich eine Sturzanamnese durchgeführt sowie mit geeigneten Testverfahren Kraft und Balance überprüft werden. Ab zwei Stürzen pro Jahr wird zu einem umfassenden geriatrischen Assessment geraten.

Im Labor kann nicht nur eine sekundäre Osteoporose ausgeschlossen werden, es lassen sich auch altersspezifische Risikofaktoren wie Hyponatriämie oder Anämie erkennen. Im Rahmen der Therapieplanung muss zudem eine mögliche Niereninsuffizienz überprüft und beachtet werden.

Die Knochendichtemessung informiert zwar auch bei betagten Patienten über das bestehende Osteoporoserisiko, ist aber bei Frauen über 75 Jahren und Männern über 85 Jahren entbehrlich, wenn typische klinische Symptome für eine Therapieindikation bestehen.

Mit gezieltem Kraftraining kann Sturzneigung reduziert werden

Ist die Osteoporose bereits manifest, fallen bei der klinischen Untersuchung die Kyphose der Brustwirbelsäule und das Tannenbaumphänomen der Haut sowie eine Abnahme der Körpergröße um mehr als fünf Zentimeter auf. Ohne MRT- oder CT-Diagnostik können Insuffizienzfrakturen infolge eines Vitamin-D-Mangels lange unentdeckt bleiben.

Ziele einer adäquaten Therapie sind der Erhalt von Lebensqualität, Mobilität und Selbstständigkeit, die Möglichkeit zur Bewältigung des Alltags, die soziale Teilhabe sowie eine Schmerzreduzierung. Multimodale Trainingsprogramme, angepasst an Alter und Komorbiditäten, verringern das Sturz- und Frakturrisiko.

Mit gezieltem Krafttraining können Kraft und Leistungsfähigkeit der Muskeln gestärkt und die Sturzneigung reduziert werden. Auch ein Koordinationstraining wie Tai-Chi reduziert das Sturzrisiko und verbessert die neuromuskuläre Koordination.

Teil der Basistherapie ist die adäquate Versorgung mit Vitamin D und Kalzium. Über die optimale Dosierung bei der Vitamin-D-Supplementierung wird derzeit noch heftig diskutiert. Der aktuellen Leitlinie zufolge hat eine 25-Hydroxy-Vitamin-D3-Serumkonzentration deutlich über 20 ng/ml offenbar keinen zusätzlichen Nutzen zur Verhinderung von Stürzen.

Die Zufuhr von 800-1000 IE Vitamin D3 täglich reduziert mehreren Studien zufolge bei älteren Männern und Frauen die Sturzrate. Bei geringer Sonnenlichtexposition und einem hohen Sturz- und/oder Frakturrisiko wird, unter Berücksichtigung einiger Ausnahmen, zur Supplementation in dieser Dosierung geraten.

Für fragile ältere Patienten werden laut Jakob und Kollegen auch höhere Zielspiegel um 30 ng/ml und eine Supplementierung unter kontrollierten Bedingungen bis zu 4000 U/Tag empfohlen.

Spezifische Therapie auch im Alter

Kalzium sollte in ausreichender Menge möglichst über die Nahrung aufgenommen werden. Zur Kalziumsupplementation wird nur geraten, wenn Probleme bei der Zufuhr des Mineralstoffs auf natürlichem Wege bestehen.

Die aktuelle Osteoporose-Leitlinie empfiehlt postmenopausalen Frauen und Männern ab dem 60. Lebensjahr ohne spezifische medikamentöse Osteoporosetherapie die tägliche Gesamtzufuhr von zirka 1000 mg (maximal 2000 mg) Kalzium.

Für die spezifische medikamentöse Behandlung der Osteoporose sind auch im Alter prinzipiell alle antiresorptiven und stimulierenden bzw. anabolen Wirkstoffe zugelassen. Liegt das Zehnjahresfrakturrisiko bei Frauen über 75 Jahren und bei Männern über 85 Jahren höher als 30 Prozent, ist eine medikamentöse Therapie auch ohne Messung der Knochendichte indiziert.

Damit sinkt die Frakturrate durchschnittlich um 50 Prozent. Zudem ist eine Schmerzreduktion um 30 Prozent möglich.

Werden Kontraindikationen beachtet, sind osteoporosespezifische Medikamente auch bei älteren Menschen gut wirksam und sicher. Besonders die mit dem Alter zunehmende Niereninsuffizienz kann die Verwendung jedoch einschränken.

Warum die Osteoporose mit erhöhter Mortalität assoziiert ist, konnte bislang noch nicht im Einzelnen geklärt werden. Es zeigte sich aber, dass eine suffiziente medikamentöse Therapie die Todesrate nach drei Jahren um bis zu 30 Prozent senken kann.

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