HINTERGRUND

Gelenkschutz ist bei rheumatoider Arthritis keine Utopie mehr

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Lange ging es bei der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) vor allem darum, die Beschwerden zu lindern. Daß es einmal möglich sein könnte, das Fortschreiten der radiologisch nachweisbaren Gelenkzerstörungen stark zu verzögern oder deren Auftreten sogar vollständig zu verhindern, das konnten sich bis vor zehn Jahren nur die Kühneren unter den Rheumatologen vorstellen.

Zwar wurden die klassischen Basismedikamente unter anderem in der Hoffnung auf eine Verzögerung der Erkrankung verordnet, doch es existierten wenig Daten, die diese Hoffnung auch statistisch untermauerten.

Mittlerweile braucht es in der Rheumatologie entschieden weniger Mut, vom Schutz der Gelenke zu reden. Die Einführung der monoklonalen Antikörper gegen den Immunbotenstoff TNF alpha, aber auch die wachsenden Kenntnisse über die Wirksamkeit von Kombinationstherapien und den Nutzen eines möglichst frühen Therapiestarts haben dazu geführt, daß in immer mehr Studien auch die radiologischen Veränderungen am Gelenkspalt untersucht werden.

Kombinationstherapien waren Monotherapien überlegen

Beim Europäischen Rheumatologenkongreß (EULAR) in Berlin wurden gleich mehrere Studien mit erfreulichen Ergebnissen präsentiert.

So konnte in der BeSt-Studie belegt werden, daß sich bei Patienten mit früher RA durch Infliximab (Remicade®) plus Methotrexat (MTX) sowie durch eine Kombitherapie mit MTX, Sulfasalazin und Prednisolon das Fortschreiten der Gelenkschäden im Röntgenbild bei fast der Hälfte der Patienten aufhalten ließ. Bei herkömmlicher Monotherapie mit mehreren Präparaten nacheinander oder bei einer Step-Up-Therapie, bei der zunächst Einzelsubstanzen angewendet werden und bei fehlender Wirksamkeit weitere Präparate dazu kombiniert werden, war das nur bei einem Viertel der Patienten der Fall (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

Ebenfalls beim EULAR präsentiert wurde eine Subgruppenanalyse aus Daten aus ASPIRE, einer Phase III-Studie, in der die Kombination Infliximab plus MTX mit einer MTX-Monotherapie verglichen worden war. "Bereits die ursprüngliche Studie zeigte, daß sich das radiologische Fortschreiten der RA in dem Biological-haltigen Schema um etwa neunzig Prozent reduzieren läßt", so Dr. Desiree van der Heijde von der Universität Maastricht in den Niederlanden bei einer Veranstaltung von Essex. "Jetzt konnten wir belegen, daß auch bei Patienten, die bereits vor Therapiebeginn sehr ausgeprägte Knochenveränderungen hatten, ein signifikanter, knochenprotektiver Effekt des Biological-Schemas nachweisbar ist".

Die meisten Patienten hatten mit Biological weniger Läsionen

Bei mehr als der Hälfte der Patienten, die das Biological erhielten, nahmen die Knochenläsionen sogar ab. Im Vergleich dazu erreichte dies nur ein Viertel der Patienten, die MTX und Placebo bekommen hatten.

Professor Josef Smolen von der Abteilung für Rheumatologie der Universität Wien kann diese Befunde für das Biological Adalimumab (Humira®) bestätigen. "Auch Adalimumab kann sowohl das Fortschreiten von Erosionen aufhalten als auch die Verengung des Gelenkspalts verhindern", so Smolen bei einer Veranstaltung von Abbott.

In einer ebenfalls auf dem Rheumakongreß präsentierten Studie mit 619 Patienten konnte belegt werden, daß mit Adalimumab in Kombination mit MTX der Sharp-Score als Parameter für die radiologisch nachweisbare Knochendestruktion (Erosionen, Gelenkspaltverengungen) über einen Zeitraum von 52 Wochen signifikant weniger zunimmt als bei Patienten, die nur MTX erhielten. Auch für das dritte verfügbare Anti-TNF-alpha-Präparat, Etanercept (Enbrel®), gebe es entsprechende Daten.

Für viele der in Berlin versammelten Rheumatologen am überraschendsten aber sind die Ergebnisse einer Post-hoc-Analyse der schon genannten ASPIRE-Studie, in der überprüft wurde, ob eine Behandlung mit einem Biological auch dann die Gelenke schützt, wenn die Patienten klinisch nicht auf das Medikament ansprechen.

Tatsächlich waren die Veränderungen im Sharp-Score in der Gruppe, die das Biological in Kombination mit MTX erhalten hatte, auch bei Patienten, die klinisch nicht angesprochen hatten - also deren Krankheitsaktivität mit Schmerz und Schwellung ähnlich geblieben war - , nach 54 Wochen signifikant geringer als in der Gruppe, in der mit MTX und Placebo behandelt wurde. "Offenbar schützen Biologicals die Gelenke auch dann, wenn sie klinisch nicht wirken", sagte van der Heijde.



FAZIT

Eine frühe, intensive Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis kann das Fortschreiten von Gelenkdestruktionen bremsen und das Auftreten neuer Veränderungen verhindern. Viele Studien dazu gibt es mit Biologicals. Doch auch die frühe Kombinationsbehandlung mit älteren Basistherapeutika scheint einen schützenden Effekt zu haben. Selbst wenn Patienten klinisch nicht von einer Biological-Therapie profitieren, schützt das Medikament die Gelenke, wie in der ASPIRE-Studie belegt worden ist.

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