Die Rheumatherapie mit Biologicals ist auf den zweiten Blick gar nicht so teuer

Moderne Rheumatherapien sind teuer. Es lohnt sich jedoch, die Gesamtkosten der Krankheit zu betrachten.

Von Reimund Freye Veröffentlicht:
Hat die Zahl geschwollener Gelenke abgenommen? © Wyeth Pharma

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Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Erkrankung, die mit zunehmender Progression die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränkt. So stünden von den unter 60-jährigen Patienten mit höheren Schweregraden der Erkrankung (HAQ* über 1,5) nur weniger als zehn Prozent noch in Arbeit, erinnerte der Gesundheitsökonom Dr. Thomas Mittendorf aus Hannover. "Daher dürfen wir nicht nur das Preisschild sehen, was eine neue Therapie kostet, sondern wir müssen durchrechnen, wie sich die Kosten für das Gesundheitssystem insgesamt entwickeln", so Mittendorf bei einer Veranstaltung von Wyeth Pharma in Hamburg.

Mittendorf hat schon bald nach Einführung der TNFa-Hemmer die Entwicklung der Kosten zwischen den Jahren 1998 und 2001 auf mehreren Teilgebieten verglichen. Demnach stiegen zwar die direkten Kosten für Medikamente, dafür aber konnten die Krankenhaus-Kosten, etwa durch kürzere Verweildauer, und die indirekten Kosten durch Arbeitsunfähigkeit und frühzeitige Verrentung gesenkt werden.

Die Rheuma-Epidemiologin Professor Angela Zink von der Charité Berlin stellte in diesem Zusammenhang Daten aus der rheumatologischen Kerndokumentation vor, in der 14 000 Patienten einbezogen sind. Die Hälfte leidet an RA. Demnach konnte die mittlere Krankheitsaktivität von RA-Kranken - gemessen mit dem Disease Activity Score 28 (DAS 28, Werte von 0 bis 10) - zwischen 2001 und 2007 von 4 auf 3,4 gesenkt werden.

Dies drücke sich auch in dem gestiegenen Anteil der Erwerbstätigen unter den RA-Patienten aus: Nahmen 2002 von den erwachsenen Frauen unter 65 Jahren 36 Prozent am Erwerbsleben teil, so waren es 2007 schon 45 Prozent. Bei den Männern war eine Zunahme von 46 auf 57 Prozent zu verzeichnen. Allerdings wuchs der Anteil der Erwerbstätigen auch in der Gesamtbevölkerung. Zink: "Aber die RA-Kranken konnten diesen Trend mindestens nachvollziehen, was nicht bei allen Erkrankungen selbstverständlich ist."

Deutlich über dem allgemeinen Trend liege die Reduktion von Klinikaufenthalten bei diesen Patienten. "Lag die mittlere Verweildauer 1994 bei 3,7 Wochen, so betrug sie 2008 noch 1,9 Wochen pro Jahr", so die Rheumatologin. In der gleichen Zeitspanne kam es ebenfalls etwa zu einer Halbierung des Anteils der RA-Patienten, die im jeweiligen Jahr überhaupt eine Klinik aufsuchen mussten: von 27 auf 14 Prozent. "Insgesamt kann so von einer Viertelung der Krankenhausaufenthalte ausgegangen werden", sagte Zink.

Bei der Betrachtung der Kosten, welche die RA über die einzelnen Segmente hinweg verursacht, verglich Zink die direkten und die indirekten Kosten zwischen 2002 und 2008. 2002 bekamen rund drei Prozent der RA-Patienten Biologicals verschrieben, 2008 waren es bereits 18 Prozent. Zu den direkten Kosten zählen außer den Arzneien auch das Arzthonorar, nichtmedikamentöse Therapien und stationäre Behandlungen, für die indirekten Kosten wurden die Arbeitsunfähigkeit und eine vorzeitige Verrentung unterlegt.

Die Ergebnisse: Durch die hochpreisigen neuen Substanzen stiegen die direkten Kosten erwartungsgemäß, von im Mittel 4178 Euro (2002) auf 5940 Euro (2008). "Demgegenüber konnten die indirekten Kosten jedoch verringert werden, sodass sich die Krankheitskosten insgesamt nur geringfügig erhöhten", sagte Zink. Einschließlich der Inflation betrug der Kostenanstieg für diesen Zeitraum weniger als sieben Prozent, in absoluten Zahlen von 15 078 Euro auf 16 042 Euro.

Weiterhin haben die Daten der Kerndokumentation ergeben, dass sich der Anteil der RA-Patienten mit besserem Funktionsstatus stetig ausweitet. "Diese Patienten verursachen insgesamt weniger Kosten", so Zink. Diese Verschiebung dürfe zu einem guten Teil auf die neue und bessere Medikation zurückgeführt werden. Zink erwartet daher für die Zukunft eine weitere Verringerung der Krankheitslast, und somit auch eine Reduktion der Gesamtkosten durch diese Erkrankung.

*HAQ = Health Assessment Questionaire, Werte zwischen 0 und 3

Rheuma-Kerndokumentation

Die Kerndokumentation ist das allgemein akzeptierte und breit angewandte Instrument der Versorgungsforschung in der deutschen Rheumatologie. Seit 1993 werden ambulant oder stationär behandelte erwachsene Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten einmal pro Jahr erfasst, mit einer klinischen Grunddokumentation (Arzneitherapie, Krankheitsaktivität, Funktionszustand, Labor, Gelenkstatus und anderen) und einem Patientenfragebogen (Gesundheitszustand, Schmerzstärke, Inanspruchnahme des Gesundheitswesens). Seit 1997 läuft zudem die Kerndoku rheumakranker Kinder und Jugendlicher.(eb)

www.dgrh.de/kerndokumentation.html

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