JIA

Eine Krankheit, die oft nach der Kindheit bleibt

Die Krankheitslast von Kindern und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) ist dank einer früheren Diagnose und neuer Therapien deutlich zurückgegangen. Trotzdem hat jeder Zweite auch als Erwachsener noch eine behandlungsbedürftige Erkrankung.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Mutilierende Fehlstellung an den Händen durch eine langjährige juvenile idiopathische Arthritis.

Mutilierende Fehlstellung an den Händen durch eine langjährige juvenile idiopathische Arthritis.

© R. Alten, Merckle Rheumatologie

MÜNCHEN. Gelenkschmerzen als Symptom sind bei Kindern weniger offenkundig als bei Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis. Kleinkinder fallen häufig dadurch auf, dass sie hinken oder getragen werden wollen. Hinzu kommen meistens Gelenkschwellungen: Bei Kindern mit diesen Anzeichen sollte an eine juvenile idiopathische Arthritis (JIA) gedacht werden.

Die JIA ist mit einer Prävalenz von 1 zu 1000 die häufigste chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung bei Kindern. Definitionsgemäß beginnt sie vor dem 16. Lebensjahr, 40 Prozent der Patienten erkranken aber schon vor dem fünften Lebensjahr.

Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung vergingen im Jahr 2000 ganze acht Monate, heute sind es nur noch zwei, wie der Kerndokumentation (KD) Kinder des Deutschen Rheumaforschungszentrums zu entnehmen ist.

Eine frühe Diagnosestellung ist deswegen so wichtig, weil chronische Gelenkschäden umso wahrscheinlicher werden, je länger eine JIA unbehandelt bleibt.

Die Diagnose wird vor allem aufgrund von Anamnese und körperlicher Untersuchung gestellt. Seltener als bei Erwachsenen lassen sich Autoantikörper nachweisen, sie sind zudem nicht beweisend für eine JIA. Entsprechend den Symptomen und Laborbefunden werden sieben Subtypen unterschieden.

Die medikamentöse Therapie richtet sich nach dem jeweiligen Subtyp. Für alle Formen nennt die Therapieleitlinie NSAR als Mittel der ersten Wahl. Fakultativ können Glukokortikoide ins Gelenk injiziert werden. Orale Glukokortikoide werden nur bei hochaktiver oder systemischer Erkrankung empfohlen.

Erst wenn NSAR und/oder lokale Therapien nicht ausreichend wirken, kommen Basismedikamente, meistens Methotrexat (MTX), zum Einsatz. Bei Versagen der konventionellen Therapie können je nach Subtyp auch Biologika verordnet werden.

Laut KD erhält inzwischen jedes dritte Kind mit systemischer oder polyartikulärer JIA eine biologische Therapie, Off-label-Behandlungen sind allerdings keine Seltenheit. Außerdem wird zunehmend häufiger und früher mit Basistherapeutika behandelt. Als Folge davon gehen die durchschnittliche Krankheitsaktivität und die Einschränkungen im Alltag deutlich zurück.

Nicht nur die Gelenke leiden

In der Leitlinie werden als "Eckpfeiler" der JIA-Behandlung auch Physio- und Ergotherapie empfohlen. Sie sollen der Entwicklung von Gelenkfehlstellungen und -kontrakturen vorbeugen. Angemessenen sportlichen Aktivitäten wird ebenfalls eine positive Wirkung zugeschrieben.

Ob die JIA bleibende Schäden hinterlässt, hängt außer von der Dauer der aktiven Erkrankung auch vom Subtyp ab. Artikuläre Schäden wie Kontrakturen, Gelenkspaltverschmälerungen, Erosionen oder Ankylosen entwickeln 5-25 Prozent der Patienten mit Oligoarthritis, aber 40-80 Prozent der Patienten mit Polyarthritis, wie Dr. Kirsten Minden vom Rheumaforschungszentrum Berlin berichtet (Monatsschr Kinderheilkd 2012; 10: 237-243).

JIA-Folgeschäden beschränken sich jedoch nicht auf die Gelenke: Etwa 13 Prozent aller Kinder entwickeln laut Minden eine Uveitis. Weil sie häufig asymptomatisch ist, aber zum Visusverlust führen kann, müssen die Patienten regelmäßig augenärztlich untersucht werden.

Durch die JIA kann es außerdem zu lokalen Wachstumsstörungen und Kleinwuchs kommen. Auch die Knochen werden in Mitleidenschaft gezogen: Schon als junge Erwachsene haben bis zu 50 Prozent der Patienten eine Osteopenie und bis zu 10 Prozent eine Osteoporose, so Minden.

In Remission kommen JIA-Patienten am häufigsten innerhalb der ersten fünf Krankheitsjahre. Mit der Dauer der Erkrankung sinken die Chancen, dass die JIA ohne Medikamente mehr als zwölf Monate inaktiv bleibt.

Nach mehr als zehn Jahren haben Oligoarthritis-Patienten noch eine Remissionsrate von 50-70 Prozent, bei Patienten mit Rheumafaktor-positiver Polyarthritis liegt die Quote aber unter 25 Prozent, so Dr. Susanne Schalm vom Dr. von Haunerschen Kinderspital in München (Internist 2012; 53: 1054-1062). "Bei jedem zweiten Patienten ist die JIA auch im Erwachsenenalter noch aktiv und behandlungsbedürftig."

Diese Patienten wechseln, in der Regel in der späten Adoleszenz, von der kinderärztlichen Versorgung in die Erwachsenenmedizin. Die sogenannte Transition fällt damit laut Schalm in einen aufgrund von physischen und psychischen Veränderungen besonders "vulnerablen" Lebensabschnitt, in dem die Patienten oft nicht leicht zugänglich sind.

Lost in Transition

Gemäß Kinder-KD nimmt nur jeder zweite Jugendliche seine Medikamente regelmäßig ein, nur jeder Fünfte macht zuverlässig seine krankengymnastische Übungen. Das Risikoverhalten unterscheidet sich nicht von dem anderer Jugendlicher, aber Rauchen bzw. Alkoholkonsum sind mit zusätzlichen Risiken verbunden, da sie den Verlauf der JIA verschlimmern bzw. die Verträglichkeit von MTX herabsetzen können.

Ein Wechsel der medizinischen Versorgung in dieser schwierigen Phase kann zu Behandlungsabbrüchen und -unterbrechungen führen - mit negativen Auswirkungen auf Krankheitsverlauf und Prognose, wie Schalm betont.

Das Forschungsprojekt "Fokus Transition" hat ergeben, dass bei einem Drittel der Patienten mit JIA der Übergang nicht gelingt. Wenn sie sich dann nach Jahren wieder bei einem Arzt vorstellen, haben sie oft schon dauerhafte Schäden entwickelt.

"Pädiatrische Patienten müssen vor dem Transfer auf die erwachsenenzentrierte Betreuungsform vorbereitet werden", so Schalm. Dazu gehöre ein umfassendes Wissen über die eigene Krankheit, Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und eine direkte Kommunikation zwischen Arzt und Patient.

Schalm fordert deswegen den Ausbau von Versorgungsstrukturen, die den Übertritt begleiten und absichern. So bieten einige kinder- und jugendrheumatologische Einrichtungen Übergangssprechstunden an (www.gkjr.de), so auch das von Haunersche Kinderspital.

Wünschenswert sind laut Schalm sogenannte "Case Manager", die als Ansprechpartner für Patient und Behandlungsteam dienen und die Zusammenarbeit koordinieren.

Lesen Sie dazu auch: JIA: Kein Sportverbot für rheumakranke Kinder

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