Inkontinenz

Empfehlungen für ältere Patienten aktualisiert

Besonders wichtig ist bei geriatrischen Patienten mit Harninkontinenz das Toilettentraining. Selbst gebrechliche ältere Menschen sprechen darauf gut an, so die aktualisierten Leitlinie.

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Bei Patienten mit Harninkontinenz kann der Gang zur Toilette zu festen Zeitpunkten hilfreich sein.

Bei Patienten mit Harninkontinenz kann der Gang zur Toilette zu festen Zeitpunkten hilfreich sein.

© Tommaso Lizzul / fotolia.com

HANNOVER. Vor allem viele ältere Menschen verlieren ungewollt Urin - etwa beim Husten - oder schaffen es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette. Schätzungen zufolge sind zirka 40 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland inkontinent, teilt die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit. Entsprechend viele ältere Patienten werden wegen Inkontinenz behandelt.

Die betreuenden Ärzte brauchen Behandlungsleitfäden und Studien, um bestmöglich behandeln zu können, heißt es in der Mitteilung. Die Arbeitsgruppe Inkontinenz der DGG hat dieser Notwendigkeit nun Rechnung getragen und eine aktualisierte Leitlinie zu Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten veröffentlicht.

Die Arbeitsgruppe hat dafür Studien mit Blick auf ältere Patienten bewertet. Die Leitlinie hat nun den S2e-Status der zertifizierenden Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erhalten.

Damit sei offiziell bestätigt, dass eine systematische Evidenz-Recherche stattgefunden habe, so die DGG.

Relevanz für Senioren geprüft

Die Leitlinie schlägt eine Bresche durch den Studiendschungel. "Viele Studien-Autoren definieren ,ältere Patienten‘ allein durch das Alter 65 plus. Das greift aber zu kurz", wird Privatdozent Dr. Andreas Wiedemann, Leiter der DGG-Arbeitsgruppe, in der Mitteilung zitiert.

"Ein geriatrischer Patient ist gekennzeichnet durch Vulnerabilität, Multi-Morbidität - er hat also mehrere Krankheiten - und er ist deutlich älter, nämlich über 80 Jahre. Wir haben daher alle Studien-Ergebnisse genau geprüft, ob sie für geriatrische Patienten überhaupt relevant sind." So sind beispielsweise operative High-End-Methoden wie die sakrale Neuromodulation ("Blasen-Schrittmacher") für geriatrische Patienten nicht geeignet.

Besonders wichtig ist der Mitteilung zufolge das Toilettentraining. Unter diesen Sammelbegriff fallen verschiedene Methoden. Dies kann der Gang zur Toilette zu festen Zeitpunkten sein. Aber auch die regelmäßige Frage, ob der Betroffene Harndrang verspürt, ist eine wichtige Interventionsmaßnahme.

Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit des betroffenen Patienten auf die Blase gelenkt. Selbst gebrechliche ältere Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränken sprechen auf diese Form des Verhaltenstrainings gut an - und die Methoden sind naturgemäß frei von Nebenwirkungen, so die DGG.

Allerdings sei hier die kontinuierliche Unterstützung der Pflegenden, zum Beispiel durch Angehörige, Partner oder Pflegepersonal, gefragt.

Fokus auf Arznei-Nebenwirkungen

Ein weiterer Schwerpunkt der Leitlinie ist die Untersuchung von Nebenwirkungen breit eingesetzter Medikamente aus dem internistischen oder hausärztlichen Bereich. So können beispielsweise bestimmte Antidepressiva die Blase blockieren und sollten entsprechend nur nach sorgfältiger Abwägung angewendet werden, heißt es in der Mitteilung.

 Aber auch klassische Medikamente gegen Inkontinenz dürften bei geriatrischen Patienten nur mit Bedacht eingesetzt werden: So verändern manche Anticholinergika die Kognition und können zu einem erhöhten Sturzrisiko führen - ein fatales Risiko für hochbetagte Patienten.

Behandlungskosten genannt

Eine Besonderheit der Leitlinie ist, dass sie die Kosten der unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen klar benennt. In einem zunehmend teurer werdenden Gesundheitssystem ist dies ein wichtiger Wegweiser für die Klinik oder den niedergelassenen Hausarzt beziehungsweise Urologen.

An der Erarbeitung der Leitlinie waren sowohl Geriater als auch Urologen beteiligt - einige davon sind klinisch tätig, andere sind niedergelassen. "Durch die interdisziplinäre Arbeit wurde wirklich jeder Aspekt von unterschiedlichen Blickwinkeln aus beleuchtet", betont Wiedemann.

"Allen Arbeitsgruppen-Mitgliedern gemeinsam war: Wir sind praktisch tätig und haben täglich mit inkontinenten Patienten zu tun. Ich bin daher sicher, dass die Leitlinie eine wertvolle Arbeitshilfe für alle Kolleginnen und Kollegen sein wird, die geriatrische Patienten behandeln." (eb)

Die Leitlinie steht auf: www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/084-001.html

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