Bluttransfusion

Bei Nierenpatienten das Herz im Blick behalten

Bei chronisch nierenkranken Patienten rauscht nicht selten der Hb-Wert in den Keller. Neben EPO und Eisen kommen für akute Fälle Blutkonzentrate zum Einsatz. Doch die bringen ein Herzrisiko mit sich.

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AMSTERDAM. Bluttransfusionen könnten für Nierenpatienten möglicherweise ein Risiko darstellen - unabhängig vom akuten Nutzen bei einer Anämie. Denn offenbar führen die Erythrozytenkonzentrate zu mehr Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz bei dieser Patientengruppe.

Darauf deutet eine neue Analyse aus den USA, die am Sonntagmorgen in Amsterdam bei der 51. Jahrestagung der europäischen Nephrologengesellschaft ERA-EDTA vorgestellt wurde.

Betroffen sind davon vor allem Patienten mit einer höhergradigen chronischen Nierenerkrankung (CKD-Stadium 4 und 5). Die meisten der Patienten mit einer deutlich reduzierten glomerulären Filtrationsrate (GFR unter 40 ml/min) entwickeln im Laufe der Zeit eine Anämie. Entscheidend dafür ist überwiegend der durch die Niereninsuffizienz entstandene Erythropoetinmangel.

Der Wachstumsfaktor wird bekanntlich hauptsächlich in der Niere gebildet. In der Folge der Niereninsuffizienz sinken die Hämoglobin-Spiegel (Hb) im Serum.

Ab unter 11,5 g/dl bei Frauen und 13,5 g/dl bei Männern sprechen Nephrologen von einer behandlungspflichtigen renalen Anämie. Für gewöhnlich wird sie mit rekombinantem EPO und Eisenpräparaten behandelt.

In akuten anämischen Phasen lassen sich die Symptome mit Erythrozytenkonzentraten behandeln. Und dazu greifen zumindest in den USA immer mehr Nephrologen. Von 2002 bis 2008 hatte sich die Zahl der Transfusionen bei Patienten mit einer Nierenerkrankung im Endstadium (ESRD) mehr als verdoppelt (NDT 2013; 28(6): 1504).

Doch das kann unangenehme Folgen haben. Denn in der jetzigen Analyse von Privatdozent Brian Bradbury, der für den Pharmahersteller Amgen forscht, war die Transfusion von Ery-Konzentraten nicht ohne Risiko.

Für die Analyse hatten Bradbury und seine Kollegen aus einer US-Datenbank für Krankenberichte von Versicherungsunternehmen fast 8000 Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung im Stadium 4 oder 5 selektiert.

Nach Adjustierung noch vierfach erhöhtes Risiko

Die Patienten benötigten allesamt keine Dialyse. Fast 70 Prozent waren über 50 Jahre alt. Insgesamt 1381 Patienten wurden den Berichten zufolge wegen einer Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingewiesen (oder in der Notaufnahme aufgenommen). Laut Bradbury ergibt das eine Inzidenzrate von 16,3 Fällen je 100 Personenjahre. Deutlich höher war sie nachvollziehbar bei älteren Patienten, Diabetikern und jenen, die andere kardiovaskuläre Erkrankungen hatten.

Anhand des Diagnosedatums schauten Bradbury und sein Team jeweils eine Woche in der Krankenhistorie zurück. Außerdem schauten sie sich etliche andere Wochen der Patienten an, in denen keine Hospitalisierung wegen einer Herzinsuffizienz dokumentiert wurde. Die Patienten waren somit ihre eigenen Kontrollen.

Außerdem verglichen die Forscher die Tage, an denen die Patienten eine Bluttransfusion erhalten hatten: Gab es an den drei darauffolgenden Tagen eine Einweisung wegen Herzinsuffizienz, wurde dies als Fall vermerkt. Die Perioden ohne Ereignis flossen in die Kontrollen ein.

Bei immerhin 1110 der Patienten mit einer Einweisung wegen Herzinsuffizienz war der obligate einwöchige "Follow-up" rückblickend möglich. Bei ihnen hatte es in 0,7 Prozent der Fälle zuvor eine Bluttransfusion gegeben. Verglichen mit den nur 0,1 Prozent in den Kontrollperioden kommen die Forscher somit auf eine Herzinsuffizienz-Risikorate von 13,4.

Selbst nach der Adjustierung der Daten um die Patienten mit einem akuten Nierenversagen, vorangegangenem Krankenhausaufenthalt, Anämie oder gastrointestinalen Blutungen war das Risiko mit einer Rate von 3,8 noch immer signifikant erhöht.

Bradbury empfiehlt seinen Kollegen, dieses Risiko künftig bei Entscheidungen über eine Bluttransfusion im Blick zu behalten. Dies gilt gerade für Patienten mit einem kardiorenalen Syndrom, die also sowohl kardiovaskuläre als auch renale Erkrankungen haben, die sich gegenseitig begünstigen können. (nös)

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