Dialyse bei Betagten

Abwägen vieler Pros und Contras

Mit der Alterung der Gesellschaft steigt die Zahl der Patienten, die infolge einer chronischen Nierenerkrankung dialysepflichtig werden. Gerade bei Betagten ist die Entscheidung für oder gegen Dialyse oft nicht leicht.

Von Silke Wedekind Veröffentlicht:
Dialyse: Mangelernährung oder nicht kontrollierbare Hypertonie sind eher ein Argument dafür.

Dialyse: Mangelernährung oder nicht kontrollierbare Hypertonie sind eher ein Argument dafür.

© Arteria Photography

BERLIN. Wann der richtige Zeitpunkt für den Beginn der Dialyse bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) gekommen ist, lässt sich nach Angaben von Professor Ralf Schindler von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Intensivmedizin an der Charité Berlin nicht eindeutig beantworten.

Dass die Entscheidung für den Start der Organersatztherapie nicht allein an der glomerulären Filtrationsrate (GFR) festgemacht werden kann, habe bereits die Studie IDEAL (The Initiating Dialysis Early and Late) gezeigt, in der sich durch einen früheren Dialysebeginn bei höheren GFR-Werten (10-14 ml/min/1,732) kein Überlebensvorteil für die Patienten ergeben hatte, so der Nephrologe.

Auf klinische Symptome achten und objektivieren

"Wir sollten bei der Entscheidung für oder gegen den Beginn der Dialyse vielmehr auf das Vorliegen klinischer Symptome achten und diese auch objektivieren", forderte Schindler bei einem Kongress in Berlin. Bei Patienten mit einer GFR <15 ml/min/1,732 solle dann eine Dialyseeinleitung erwogen werden, wenn die Patienten unter Urämiesymptomen leiden, mangelernährt sind oder einen nicht kontrollierbaren Hypertonus aufweisen.

Insbesondere bei betagten CKD-Patienten fällt die Entscheidung für oder gegen den Start der Dialyse dennoch oft nicht leicht. "Grundsätzlich wird durch eine Nierenersatztherapie auch bei Patienten über 75 Jahre ein eindeutiger Überlebensvorteil erreicht. Sobald die Patienten jedoch Komorbiditäten aufweisen, verschwindet dieser prognostische Gewinn - so zum Beispiel, wenn es sich bei der Komorbidität um eine koronare Herzkrankheit handelt", informierte Schindler.

Eine zuverlässige Vorhersage der Kurzzeitprognose bei Älteren ist mithilfe eines validierten klinischen Scores möglich (Nephrol Dial Transplant, 2009; 24(5): 1553-1561).

Der Score umfasst neun prognostisch relevante Parameter, denen ein bestimmter Punktwert zugeordnet ist, wie ein Body-Mass-Index unter 18,5, das Vorliegen eines Diabetes, von Arrhythmien und/oder von malignen Erkrankungen. Mit drei Punkten hat der Parameter "Abhängigkeit des Patienten von einem organisierten Transport aufgrund fehlender Mobilität bzw. Unselbstständigkeit" einen hohen Einfluss auf die Gesamtpunktezahl im Score.

Auch die Behandlungszeit ist entscheidend

Bei Patienten mit einer Punktwertsumme =9 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein halbes Jahr nach dem Beginn der Dialyse noch leben, nur noch 30 Prozent. Der klinische Score ist selbstverständlich nicht dazu geeignet, Patienten die Einleitung einer Dialyse vorzuenthalten; er kann aber für das Gespräch mit dem Betroffenen und seinen Angehörigen eine wertvolle Entscheidungshilfe bieten.

Ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung für oder gegen eine Dialyse bei älteren Patienten sei die Zeit, die für die Behandlung aufgewendet werden müsse, erinnerte Schindler. Unter Umständen entspreche die Lebenszeit, die bei Betagten durch eine Dialyse hinzugewonnen wird, mehr oder weniger derjenigen Zeit, die der Patient für die Behandlung in der Klinik zubringen müsse. "Ein Plus an dialysefreien Tagen wird somit oft kaum erreicht", so Schindler.

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