Vor Herzoperation

Druckmanschetten-Therapie kann Niere schützen

Ist die präventive Blutdruckmanschettentherapie vor Herzoperationen sinnvoll? Große Studien haben den Nutzen in Zweifel gezogen. Doch zumindest bei Risikopatienten für akutes Nierenversagen scheint sie zu helfen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Blutdruckmanschetten-Therapie: Durch Ischämie und Reperfusion sollen Mediatoren ausgeschüttet werden, die Schutzmechanismen in Organen aktivieren, so die Hypothese.

Blutdruckmanschetten-Therapie: Durch Ischämie und Reperfusion sollen Mediatoren ausgeschüttet werden, die Schutzmechanismen in Organen aktivieren, so die Hypothese.

© Francesco Ridolfi / iStock / Thinkstock.com

BERLIN. Die entfernte ischämische Präkonditionierung (RIP) soll das Risiko von Komplikationen nach großen Operationen, insbesondere Herzoperationen, reduzieren, vor allem kardiovaskuläre Ereignisse und das akute perioperative Nierenversagen. Bei der RIP wird eine Blutdruckmanschette zu Beginn der Anästhesie um den Oberarm gelegt und dreimal für je fünf Minuten auf 200 mmHg beziehungsweise 50 mmHg über dem jeweiligen systolischen Blutdruck aufgeblasen. Dazwischen sind je fünf Minuten Pause.

"Die Hypothese ist, dass durch Ischämie und Reperfusion Mediatoren in die systemische Zirkulation ausgeschüttet werden, die dann Schutzmechanismen in vulnerablen Organen aktivieren", erläuterte Professor Alexander Zarbock von der Anästhesiologie am Universitätsklinikum Münster. Dass das zumindest beim Myokard klappen kann, hatte vor vier Jahren eine erste monozentrische Studie gezeigt, an der 329 Patienten teilnahmen (Lancet 2013; 382: 597).

Großstudien in der Kritik

Im vergangenen Jahr wurden zwei größere, ebenfalls randomisierte Studien publiziert, die ERICCA-Studie mit 1600 und die deutsche RIPHeart-Studie mit 1400 Teilnehmern. Beide Studien hatten einen kardiovaskulären primären Endpunkt, und in beiden hatte die RIP keinen signifikanten Effekt. Auch beim akuten Nierenversagen, einem sekundären Endpunkt, gab es keinen signifikanten Vorteil in der Interventionsgruppe. Seither gilt das RIP-Verfahren vielen als ad acta gelegt.

Zarbock sieht das anders. Er wies bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) darauf hin, dass die beiden Großstudien aus mehreren Gründen problematisch seien. Zum einen sei die Narkose in beiden Studien mit Propofol erfolgt, ein Anästhetikum, für das bekannt sei, dass es den Effekt der RIP verringere. Zum anderen plädierte er dafür, zumindest mit Blick auf die Prävention des akuten postoperativen Nierenversagens stärker zwischen Patienten mit hohem und niedrigem Risiko zu differenzieren.

In den beiden Großstudien wurde das Risiko eines akuten Nierenversagens durch die RIP um relativ 13 beziehungsweise 17 Prozent von absolut 8,7 auf 7,6 Prozent beziehungsweise von 6,1 auf 5,1 Prozent gesenkt. Damit ging zumindest der Trend in die richtige Richtung. Insgesamt sei der Anteil von Patienten mit akutem Nierenversagen in beiden Studien niedrig gewesen, da es sich nicht um Patienten mit hohem Risiko gehandelt habe, so Zarbock. Anders gesagt: Die Studien waren mit Blick auf den Nierenschutz unterpowert.

Risikopatienten profitieren von RIP

In der randomisierten RenalRIPC-Studie von Zarbock und Kollegen nahmen an vier deutschen Zentren 240 herzchirurgische Patienten mit sehr hohem Risiko für akutes Nierenversagen teil (JAMA 2015; 313: 2133). Hier waren die Ergebnisse anders: In der Kontrollgruppe erlitten 52,5 Prozent der Patienten ein akutes Nierenversagen (AKI 1-3), gegenüber 37,5 Prozent in der RIP-Gruppe. Diese 15-prozentige absolute Risikoreduktion war statistisch signifikant (p=0,02).

Vor allem schwere Formen des Nierenversagens waren seltener: Der Anteil der Patienten mit Nierenersatzverfahren sank von 15,8 Prozent auf 5,8 Prozent. Zarbock ist deswegen der Auffassung, dass die RIP weiterhin ihren Stellenwert in der Versorgung kardiochirurgischer Patienten haben sollte.

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