Interview

"Das Screening bietet eine optimale Diagnostik"

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Gut die Hälfte der 50- bis 69-jährigen Frauen nutzt das Mammografie-Screening. Das ist weniger als geplant. Über die Ursachen dafür sowie über Qualität und Hemmnisse sprach die "Ärzte Zeitung" mit Dr. Wolfgang Aubke von der Kooperationsgemeinschaft Mammografiescreening.

Ärzte Zeitung: Auch sechs Jahre seit Einführung des Mammografie-Screening liegen die Teilnehmerraten weit unter den Zielwerten. Woran liegt das?

Dr. Wolfgang Aubke

Aktuelle Position: Vorsitzender oder alternierender Vorsitzender der Kooperationsgemeinschaft Mammografie-Screening seit deren Gründung im Jahr 2003.

Werdegang/Ausbildung: Aubke, Jahrgang 1941, hat nach dem Medizinstudium eine internistische Weiterbildung absolviert. 1979 Niederlassung als hausärztlich tätiger Internist in Bielefeld.

Karriere: Seit 1985 Mitglied der Vertreterversammlung der KV Westfalen-Lippe, seit 1986 Vorstandsmitglied der KV, seit 1995 zweiter Vorsitzender, 1985 bis 88 Mitglied im Ausschuss für Präventive Medizin und Rehabilitation, seit 1989 Mitglied der KBV-VV, von 2001 bis 2005 KBV-Vorstandsmitglied.

Aubke: Richtig, die bundesweiten Teilnehmerraten liegen zur Zeit bei 54 Prozent, mit regionalen Unterschieden. Die Ursachen sind vielfältig: Erstens haben wir nach wie vor eine sehr kritische Diskussion zum Nutzen und Schaden des Screenings, sowohl unter Wissenschaftlern wie auch unter Ärzten.

Zweitens gibt es Vorbehalte insbesondere bei Gynäkologen, die mit unterschiedlichem Engagement das Screening ihren Patientinnen nahelegen.

Ferner haben wir zunehmend in der Öffentlichkeit eine kritische Diskussion zu Sinn und Unsinn von Früherkennungsmaßnahmen überhaupt, in den letzten zwei Jahren von Gesundheitswissenschaftlern und Epidemiologen induziert. Schließlich bestehen bei bestimmten Bevölkerungsschichten Zugangsbarrieren; dies gilt aus kulturellen Gründen vor allem für Frauen mit Migrationshintergrund.

Ärzte Zeitung: Gibt es denn im Zeitablauf mehr Teilnehmerinnen?

Aubke: Jein. Wir haben eine Stabilisierung der Ausgangszahlen von 2005 bis 2007. Die Entwicklung ist unterschiedlich, beispielsweise deutlich positiv in Schleswig-Holstein. Wir haben stabil hohe Teilnahmeraten in den neuen Ländern.

Es gibt aber auch Länder mit rückläufiger Teilnahme. Den Ursachen dafür gehen wir zur Zeit nach.

Ärzte Zeitung: Dort, wo sich das positiv entwickelt: Gibt es Merkmale, die den Erfolg erklären?

Aubke: Ja. Es ist ein überdurchschnittliches Engagement der Programmverantwortlichen Ärzte in der jeweiligen Versorgungsregion, die sich viel Mühe geben, Frauen zu informieren und zu motivieren. Es ist ein personengebundenes Engagement.

Ärzte Zeitung: Auch des persönlich behandelnden Gynäkologen?

Aubke: Exakt.

Ärzte Zeitung: Nun war ja die Einführung des Mammografie-Screening von teils heftiger Kritik aus der Wissenschaft begleitet, die den Protagonisten eine verzerrte Informationspolitik vorwarf, die oft nur die relative Veränderung der Brustkrebsmortalität in den Vordergrund gestellt hat.

Aubke: Das ist absolut richtig. Hier hat sich unsere Informationspolitik gewandelt. Wir haben in unserem Merkblatt und in den Kennziffern, die über die Ergebnisse des Mammografie-Screenings Aussagen treffen, auch die absoluten Zahlen und nicht die relativen zugrunde gelegt.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass dies eine Diskussion in einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm ist. Die Frage muss erlaubt sein, ob die betroffenen Frauen überhaupt in der Lage sind, mit diesen epidemiologischen Zahlenspielereien etwas anzufangen.

Viel wichtiger scheint mir zu sein, in aller Offenheit die Vorteile und Nachteile darzustellen. Das Einzelschicksal orientiert sich nach meiner Erfahrung weniger an den abstrakten absoluten Zahlen als an ganz persönlichen Einschätzungen.

Ärzte Zeitung: Bei der Einführung des Screenings waren ja die Qualitätssicherung und eine Beendigung des grauen Screenings ein ganz wesentliches Ziel. Kann man sagen, dass das wenigstens gelungen ist?

Aubke: Nein, das kann man zu meinem Bedauern nicht sagen. Das muss man ganz ehrlich zugeben. Wir haben immer noch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil eines grauen Screenings. Das beruht auf einer ganz unterschiedlichen Angebotsebene.

Die Vorgaben einer hohen Qualitätssicherung sind nachweislich erreicht. Trotzdem ist es ist nicht gelungen, mit dem Mammografie-Screening das graue Screening zu ersetzen. Denn es ist von der leistungsrechtlichen Dokumentation her sehr schwierig, quantitativ festzustellen, welchen Umfang das graue Screening hat.

Aber andererseits kann man sagen, dass durch das Screening und die dabei geforderte hohe Qualität ein Verbesserungssprung auch in der kurativen Versorgung erreicht worden ist.

Ärzte Zeitung: Wie kann ein Gynäkologe verhindern, dass seine Patientin in ein graues Screening gerät?

Aubke: Das geht nur mit der Überzeugung des Gynäkologen, dass nur das Mammografie-Screening mit seinem nachgewiesenen Qualitätsniveau und dem permanenten, transparenten und externen Qualitäts-Controlling eindeutig überlegen ist.

Die Ergebnisse unseres ersten Qualitätssicherungs-Berichts zeigen, dass es kaum einen anderen Versorgungszweig im Gesundheitswesen gibt, der derart transparent hinsichtlich seiner Ergebnisqualität kontrolliert wird. Nur bei diesem Screening kann die Frau sicher sein, dass sie sich über das Vier- und Sechs-Augen-Prinzip und eine externe Qualitätskontrolle in die besten Hände begibt.

Ärzte Zeitung: In welchen für die Frauen relevanten Parametern zeigt sich die Qualität?

Aubke: Erstens: die Doppelbefundung, bei unterschiedlichen Befunden sogar das Sechs-Augen-Prinzip bei Letztentscheidung des Programmverantwortlichen Arztes.

Zweitens: eine laufende technische Qualitätssicherung, und zwar tagtäglich, auch hinsichtlich der Belastung durch ionisierende Strahlen.

Drittens: eine permanente Kontrolle der Aufnahmequalität und Bilderstellung.

Und viertens ganz entscheidend: eine klar strukturierte Abklärungsdiagnostik bei einem auffälligen Befund in einem Mehr-Augen-Prinzip, in der Pathologen, Chirurgen, Gynäkologen und Radiologen eingebunden sind. Hier kann die betroffene Frau wirklich sicher sein, dass sie eine optimale Diagnostik erhält. Die hohe Treffsicherheit können wir tatsächlich belegen.

Das Interview führte Helmut Laschet

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