Unterschiedliche Ursachen, verschiedene Stadien - warum Typ-1- und Typ-2-Diabetes einen Namen haben, wird heute erläutert.

Von Prof. Hellmut Mehnert

Die eigentlichen Erbfaktoren für beide Diabetesformen sind nur unvollkommen erforscht. Es gilt die Regel, dass der Typ-2-Diabetes stärker vererbt wird als der Typ-1-Diabetes. Allerdings hat sich in jüngster Zeit gezeigt, dass bei genügend langer Beobachtung von Typ-1-Diabetikern auch die hereditäre Penetranz deutlich erhöht ist. Als Beispiel haben dabei die eineiigen Zwillinge zu gelten. Hier galt die Regel, dass bei Typ-1-Diabetes des einen Zwillings nur eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der andere Zwilling im Laufe des Lebens einen Typ-1-Diabetes bekommt.

Jetzt haben Untersuchungen gezeigt, dass bei jahrzehntelanger Be-obachtung solcher Zwillinge doch eine Konkordanz von 60 Prozent auftritt. Bei eineiigen Zwillingspaaren mit Typ-2-Diabetes hat man mit einer annähernd 100-prozentigen Konkordanz zu rechnen, wenn diese Menschen nur genügend alt werden. Bei Typ-2-Diabetikern gibt es keine bestimmten krankheitsspezifischen HLA-Konstellationen, wohl aber eine höhere Vererbbarkeit.

Zwei Faktoren bestimmen die Pathogenese des Typ-2-Diabetes: die meist vorhandene Insulinresistenz, also eine Unterempfindlichkeit gegen körpereigenes und gegen gespritztes Insulin und zunehmendes Defizit in der körpereigenen Insulinproduktion. Wichtig ist, dass Typ-2-Diabetiker meist ein prädiabetisches Stadium durchlaufen, als metabolisches oder als metabolisch-vaskuläres Syndrom bezeichnet. Hier kommen zur Insulinresistenz: Hypertonie, Dyslipoproteinämie, Gerinnungsstörungen, gestörte Glukosetoleranz und androide Stammfettsucht.

Es verwundert nicht, dass deswegen Typ-2-Diabetiker bei der Diagnose ihrer Erkrankung bereits in einem hohen Prozentsatz makrovaskuläre Schäden haben. Fehlgedeutet wurde über Jahre die bei Typ-2-Diabetikern anfänglich ausgeprägte Hyperinsu- linämie. Denn eigentlich müssten solche Patienten eine noch wesentlich stärkere Hyperinsulinämie aufweisen, um den Folgen der Insulinresistenz zu begegnen. Einen gewissen Teil an Insulin vermag die Bauchspeicheldrüse noch kompensatorisch zur Verfügung zu stellen, aber diese Hyperinsulinämie ist sozusagen bereits eine relative Hypoinsulinämie.

Gibt es nun Gemeinsamkeiten von Typ-1- und Typ-2-Diabetes? In der Pathogenese wurden neue Erkenntnisse über Schäden im Zinktransportersystem in der Bauchspeicheldrüse bekannt, was beiden Diabetestypen gemeinsam zu sein scheint. Man darf beide Diabetesformen als Diabetes mellitus bezeichnen, da sie als charakteristisches Diagnostikum und als Kontrollparameter eine erhöhte Blutglukose aufweisen und weil die Folgeschäden bei beiden Diabetestypen auftreten.

Der Standpunkt, dass die Mikroangiopathie nur für den Typ-1- und die Makroangiopathie für den Typ-2-Diabetes gilt, ist überholt und falsch. Typ-2-Diabetiker erleiden in gleicher Weise eine Mikroangiopathie, wenn der Diabetes - vor allem bei schlechter Einstellung - lang dauert, und Typ-1-Diabetiker mit langer Lebensdauer bekommen gehäuft kardiovaskuläre Komplikationen.

Trotzdem sind die Unterschiede in der Pathogenese beider Formen bedeutsam, da sie natürlich Therapieunterschiede bedingen: Typ-1-Diabetiker erhalten eine intensivierte, sofort einsetzende Insulintherapie; bei Typ-2-Patienten stehen die Bekämpfung von Übergewicht und des Bewegungsmangels, orale Therapie und nicht zu spät auch eine Insulinbehandlung im Vordergrund.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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