Wissenschaftler

Versorgungsforschung braucht Aktionsplan

Die Bertelsmann Stiftung und das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung haben eine Navigationshilfe für die nächste Regierung vorbereitet.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Einen freien und offenen Zugang zu den im Gesundheitssystem generierten Daten, die Verankerung der Disziplin Versorgungsforschung an den Universitäten und eine Priorisierung der Themen der Versorgungsforschung fordern die Bertelsmann Stiftung und das Deutsche Netzwerk für Versorgungsforschung.

Diese drei Eckpunkte schlagen die beiden Organisationen als Rückgrat eines "Nationalen Aktionsplans für Versorgungsforschung" vor.

Ziel der Versorgungsforschung sei es die Zugangs-, Verteilungs- und Bedarfsgerechtigkeit zu erhöhen, heißt es in dem Papier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Die Ergebnisse der Versorgungsforschung dienten vor allem dazu, die Kompetenzen, und Ressourcen des Patienten als schwächstem Glied im Versorgungsgeschehen zu stärken.

Um den Patienten tatsächlich in den Mittelpunkt der Analyse zu rücken, müsse man an allen Stellschrauben des Systems drehen.

Eine moderne Arztvergütung zum Beispiel fördere die Patientenorientierung, verhindere die Diskriminierung von Patienten und sorge für eine bessere Verteilung von Ärzten in der Fläche, sagte Professor Eckart Fiedler von der Universität Köln bei der Vorstellung des Papiers in Berlin.

EBM intransparent

Das gegenwärtige System, in dem Ärzte für die Behandlung eines Privatpatienten mit bis zu dreifach höheren Sätzen vergütet würden, dabei keinen Mengenbegrenzungen unterlägen und keine Regressängste ausstehen müssten, werfe die Frage auf, ob GKV-Patienten diskriminiert würden.

GKV-Patienten müssten länger auf Termine warten und würden mit Angeboten von individuellen Gesundheitsleistungen drangsaliert. Zudem kämen neue Leistungen in Diagnostik und Therapie immer später in der Versorgung von gesetzlich Versicherten an.

Der EBM sei arztgruppenorientiert und intransparent. "Diese Mängel gibt es", sagte Fiedler.

Deshalb werde die Konvergenz von GKV und PKV in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen.

Im dann folgenden Wettbewerb zwischen gesetzlichen Kassen und privaten Versicherungen werde sich die PKV dem Sachleistungsprinzip annähern, prognostizierte Fiedler, der bis 2006 der Barmer Ersatzkasse vorstand.

Grundlage aller Versorgungsforschung sind Daten. "Ohne qualitätsgeprüfte, flächendeckende Sekundärdaten kann keine wissenschaftlich solide Versorgungsforschung betrieben werden und keine fundierte Politikberatung erfolgen", heißt es in den Eckpunkten, die Bertelsmann und das Netzwerk anlässlich des zwölften Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung veröffentlicht haben.

Nach wie vor fehlen wichtige Angaben

Deutschlands Gesundheitswesen sei nicht arm an Daten. Sie stünden nur nicht für die Herstellung von Versorgungstransparenz zur Verfügung, sagte Professor Wolfgang Hoffmann von der Universität Greifswald.

Dass mit dem Versorgungsstrukturgesetz der Zugang zum Datensatz des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) erleichtert worden sei, ziele in die richtige Richtung. Für eine sinnvolle wissenschaftliche Nutzung fehlten aber nach wie vor wichtige Angaben.

Unerlässlich sei, das Regionalkennzeichen der Versicherten zur Verfügung zu stellen, um die regionalen Varietäten herausarbeiten zu könne. Ferner fehlten Stammdaten der Versicherten, Versicherungszeiten, Todeszeitpunkte sowie Daten zu Prozeduren und Leistungen in den Kliniken, sagte Hoffmann.

Die Verbindung zur Rehabilitation und zur Pflege bleibe völlig außen vor.

Patienteninformation soll verständlich sein

Der Gesetzgeber sei gefordert, die Verknüpfung der Sekundärdaten mit anderen Daten zuzulassen. Der Datenschutz solle dabei gewahrt bleiben.

Dennoch stehe die kommende Regierung vor einer Abwägung des Datenschutzes gegen die Vorteile, die die Patienten aus den Ergebnissen einer präziseren Versorgungsforschung ziehen könnten.

Professor Edmund Neugebauer von der Universität Witten-Herdecke und Vorsitzender des Netzwerkes hatte zuvor für Transparenz auf einem anderen Feld geworben. Nämlich für lesbare und verständliche Patienteninformationen.

"Die Verbesserung der Patienteninformation führt zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse", sagte Neugebauer.

Die Kommunikation mit dem Arzt verlaufe leichter, die Patienten hielten die Therapievorgaben ihrer Ärzte besser ein.

Nationales Versorgungsforschungszentrum angeregt

Eigene Lehrstühle und Forschungseinrichtungen sowie ein nationales Versorgungsforschungszentrum sollen dazu beitragen, eine kritische Forschungsmasse zu schaffen, heißt es in den Eckpunkten von Bertelsmann und dem Netzwerk Versorgungsforschung.

Dieser Forschungszweig solle als eigene Säule neben der klinischen Forschung etabliert werden. Die Finanzierung solle von den Profiteuren der Gesundheitsforschung, den Kassen, übernommen werden.

Der Sachverständigenrat hat vorgeschlagen, ein Promille der GKV-Ausgaben für das Gesundheitswesen aufzubringen. Das wären im Augenblick zwischen 180 und 190 Millionen Euro im Jahr.

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