Wohin mit Marie, wenn die Nachtschicht ruft?

Noch immer verlangen Klinikchefs von Ärztinnen, sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden - mit fatalen Folgen.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Seltenes Glück: Während Mami arbeitet, schaut der Goldschatz ganz geduldig zu.

Seltenes Glück: Während Mami arbeitet, schaut der Goldschatz ganz geduldig zu.

© Foto: imago

FRANKFURT/MAIN. Die Medizin wird weiblich: Über die Hälfte der Medizinstudenten im ersten Semester sind Frauen. Nach dem Studium suchen sich viele von ihnen einen Job im Ausland. Dabei würden sie hierzulande dringend gebraucht.

"Es gibt viel zu wenig Kita-Plätze, um Vollzeit zu arbeiten": Ekaterini Gorla informiert sich auf einem Symposium der Landesärztekammer in Bad Nauheim über die Perspektiven, die Kliniken dem ärztlichen Nachwuchs bieten. Immer wieder sind von den Referenten die Stichworte Frauenüberschuss und Ärztemangel zu hören. Ekaterini Gorla wundert es nicht, dass so viele Ärztinnen ihren Beruf, wenn sie eine Familie gründen, aufgeben oder die Arbeitszeit reduzieren.

Was in Skandinavien klappt, ist in Deutschland noch rar

Die 30-Jährige ist gerade mit ihrem Medizinstudium fertig geworden. Sie hat vor, in den nächsten zwei bis vier Jahren Kinder zu bekommen, eine kurze Auszeit zu nehmen - und dann wieder als Ärztin einzusteigen. In skandinavischen Ländern sei dies problemlos möglich, ganz im Gegensatz zu Deutschland. "Was sollen denn Eltern mit ihren Kindern machen, wenn sie beide berufstätig sind?" Ekaterini Gorla macht sich viele Gedanken über ihre Zukunft. Auch ans Auswandern hat sie schon gedacht. Ihre Freundin Manuela Kerger (27) hat da sogar schon ganz konkrete Pläne: Sie hat ein Jobangebot von einer Schweizer Klinik. "Da sind die Arbeitsbedingungen besser und ich verdiene auch noch mehr Geld."

"Wir müssen die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie verbessern", sagt Petra Müller-Klepper, Staatssekretärin im Hessischen Gesundheitsministerium in Wiesbaden. Um den Frauenanteil in den Kliniken zu erhöhen, müsse die Arbeit für Ärzte generell wieder attraktiver werden. Mögliche Ansatzpunkte seien die betriebliche Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten, Ausgleich von Überstunden, eine bessere Bezahlung, ein breites Angebot für Berufswiedereinsteiger und ein größeres Angebot an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. "Die Politik hat die Probleme erkannt", sagt die Staatssekretärin. Nun sei es Zeit zu Handeln.

Politiker beteuern, die Probleme erkannt zu haben

"Das ist ein guter Ansatz", sagt Muserref Türher. "Ich hoffe, dass sich die Bedingungen bald ändern, sodass ich auch noch davon profitiere." Die 27 Jahre alte Ärztin hat ihr Praktisches Jahr im Ausland gemacht. Ob sie ihren Facharzt in Deutschland macht, ist noch nicht sicher. In einigen Jahren will auch sie Kinder bekommen und Mutterschaftsurlaub nehmen. Sie fragt sich allerdings bereits heute, ob es dann mit dem Wiedereinstieg in den Beruf klappen wird. "Teilzeitangebote sind sehr selten", erzählt sie.

Eine Bekannte von ihr habe einen solchen Job in einer Klinik bekommen - und müsse trotzdem Wochenenddienste und Nachtdienste machen. Wo sie ihre Kinder in dieser Zeit unterbringt, interessiere die Klinikleitung nicht. Das sei die Realität, so Muserref Türher. Manuela Kerger pflichtet ihr bei: "Der Beruf an sich ist ja ein schöner Beruf, nur die Rahmenbedingungen sind nicht ideal."

"Medizin ist mittlerweile ein Frauenfach", so die Professorin und Psychologin Andrea E. Abele-Brehm von der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie stellt auf dem Symposium der Kammer ihre Studien zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Medizinern vor. Ärztinnen, so ein Ergebnis ihrer Arbeit, machten deutlich mehr Abstriche im Privatleben als ihre männlichen Kollegen. Trotzdem seien sie - bei gleicher Qualifikation - häufiger erwerbslos oder in Teilzeit beschäftigt und seltener in Führungspositionen als ihre männlichen Kollegen. Besonders problematisch sei das in Kliniken. Die Arbeit in Krankenhäusern werde von Ärztinnen und Ärzten gleichermaßen als wenig befriedigend und einengender erlebt als die Arbeit in Praxen.

Flexiblere Arbeitszeiten sollen Ärztinnen locken

"Speziell für Frauen ist eine niedergelassene Tätigkeit einfacher mit der Familie zu vereinbaren." In Zukunft, so die Professorin, könnte ein gravierender Mangel an Klinikärzten drohen, wenn nicht die Arbeitsbedingungen vor allem auch für Ärztinnen attraktiver werden. Nach Meinung der Professorin gehören dazu flexible Arbeitszeitprogramme, Kinderbetreuung und Mentoring-Programme. "Ganz besonders wichtig sind auch Fortbildungen für Personalverantwortliche", sagt sie. Wertschätzung und Feedback durch Vorgesetzte sei ein wichtiger Punkt für mehr Arbeitszufriedenheit. "Ein Feedback einmal im Jahr, wie es in der Weiterbildungsordnung festgeschrieben ist, reicht nicht aus."

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