Hintergrund

Wandernde Honorarärzte füllen Lücken im Dienstplan

Der Ärztemangel an Krankenhäusern ist groß. Immer mehr Klinikchefs setzen deshalb auf Wanderärzte.

Von Katlen Trautmann Veröffentlicht:

Geschäftsführer Knut Hinkel vom sächsischen Klinikum Mittleres Erzgebirge gGmbH zählt bei der Personalpolitik zu den Pionieren. In die Häuser in Olbernhau (100 Betten) und Zschopau (320 Betten) verpflichten sich Ärzte eher selten auf Dauer. Also füllt Hinkel Lücken im Dienstplan durch Honorarärzte. "Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht", sagt der Geschäftsführer.

Vor allem Krankenhäuser auf dem Land machen es ähnlich, berichtet Friedrich München von der Krankenhausgesellschaft Sachsen (KGS). "Honorarärzte sind kurzfristig eine sinnvolle Ergänzung", sagt er. Die KGS sieht in den Wanderärzten aber "keine Dauerlösung", sondern eher einen "Notnagel". "Honorarärzte sind teurer als Angestellte und daher langfristig nicht zu finanzieren", erklärt München. Verwaltungschef Hinkel kämpft schon länger mit der zu kurzen Personaldecke. "Als kleines Haus nahe der tschechischen Grenze hatten wir in Olbernhau schon immer Probleme, Ärzte zu rekrutieren", erklärt er.

Wie Chefs vieler anderer kleiner Häuser umwirbt er Kandidaten emsig. Hinkel hat Personal vom Hauptsitz Zschopau umgesetzt, reist persönlich zu Absolventenveranstaltung und engagierte Headhunter, wenn auch vergeblich. Es fehlt weiter an Bewerbern. Vor allem Kinder niedergelassener Mediziner aus der Umgebung würden vor Ort ihre Ausbildung absolvieren. Krankenhäuser auf dem Land haben es sonst oft schwer, das Interesse der Medizinstudenten zu wecken. Sachsens neue Regierung möchte unter anderem deshalb mehr kleine Häuser zu akademischen Lehrkrankenhäusern ernennen.

In Olbernhau arbeiten Honorarärzte außer in der Anästhesie häufig vor allem in der Chirurgie und der Inneren Medizin. Hinkel setzt gern auf Wandermediziner, die die Arbeitssituation und das Team im Haus bereits kennen. Beim Budget kann er sich für das Klinikum mit kommunalem Träger innerhalb des Personalplanes "frei bewegen".

Wegen des akuten Mangels an Ärztinnen und Ärzten steigt die Nachfrage nach den "Doc zum Buchen". "Sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern suchen immer mehr Kliniken, MVZ und Rettungsdienste Honorarkräfte", sagt Dr. Nicolai Schäfer. Der Anästhesist gründete 2008 den Bundesverband der Honorarärzte.

Trotzdem wird es wohl keine ausschließlich durch Honorarärzte geführten Kliniken geben. Die KGS setzt auf die Zusammenarbeit vor Ort. "Die Bemühungen der KGS gehen eher dahin, Ärzte zu halten. Wir sind auch dafür, dass die Kliniken mit niedergelassenen Ärzten kooperieren", erklärte Friedrich München. Verwaltungschef Hinkel verzichtet auch künftig nicht auf seine Kernmannschaft und erwartet langfristig bestenfalls einen "Mix der Rechtsbindung" bei den Arbeitsverhältnissen. Er sagt: "Das Krankenhaus mit seinen festen Dienststrukturen wird es immer geben, weil wir es brauchen."

Etwa seit der Jahrtausendwende gibt es Honorarärzte, die ihre Dienste anbieten. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren, berichtet Dr. André Kröncke von der Agentur "Notarztbörse", einem renommierten Vermittler. Anfangs reisten vor allem ältere Mediziner im Ruhestand. Die genaue Zahl der Wanderärzte lässt sich nicht beziffern. Schätzungen des Bundesverbandes der Honorarärzte gehen von 4000 Medizinern aus. Der Fachverband zählt 130 Mitglieder. Rund 65 Prozent davon sind Anästhesisten. Dr. Nicolai Schäfer begründet den hohen Anteil dieser Fachgruppe mit dem "Standardisierungsgrad" und der geringen Patientenbindung. Des Weiteren sind Chirurgen, Internisten und Allgemeinmediziner vertreten. Kröncke beziffert den Anteil der Fachärzte quer durch alle Sparten auf 60 Prozent, gefolgt von Assistenzärzten.

Ihre Motive für die Wahl des unsteten Berufslebens reichen von der beruflichen Erst- oder Neuorientierung über den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung bis hin zur Suche nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

www.bv-honoraraerzte.de

www.bvhv.org

www.notarzt-boerse.de,

So viel verdient ein Honorararzt

Der Stundensatz für Honorarärzte liegt zwischen 60 und 120 Euro. Von dem Entgelt müssen auch Krankenversicherung und Altersvorsorge bestritten werden. Weihnachts- und Urlaubsgeld sind unüblich.

Die Mediziner handeln die Verträge entweder selbst aus oder bedienen sich der Hilfe einer der rund 30 Vermittlungsagenturen. (tra)

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