Auf den Spuren eines Leibarztes und Experten für Hämophilie

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"Blut soll mein Thema sein...", so beginnt Barbara Vine ihren neuen Roman "Königliche Krankheit". Wer die britische Erfolgsautorin kennt, weiß sofort, daß es dabei um subtilere Dinge geht als vielleicht um Mord und Totschlag. Sie führt ihren Hauptprotagonisten, das Mitglied des House of Lords, Martin Nanther, auf die Spur seines Urgroßvaters.

Henry Nanther war Leibarzt von Queen Victoria und eine Koryphäe auf dem Gebiet der Hämophilie, von der auch die königliche Familie betroffen war. Für den Urenkel zunächst kein Anlaß, eine Biographie des berühmten und von der Queen geadelten Vorfahren zu verfassen. Zu vorbildlich, zu langweilig, befindet er. Doch dann finden sich im Nachlaß der Familie Hinweise auf ein Leben des Arztes, das nicht in den geraden Bahnen verlaufen war, wie er die Nachwelt glauben machen wollte.

Was war das Geheimnis des viktorianischen Leibarztes?

Für Martin Nanther, der sich bereits mit anderen Prominenten-Biographien einen Namen gemacht hat und sich nun doch dem Urgroßvater literarisch widmen will, beginnt eine Zeit voller Spannungen - privater und beruflicher. Seine Recherchen führen ihn in Richtungen, die immer neue Seitenwege auftun - ein Labyrinth rätselhafter Spuren. Ein dichtes Knäuel von Menschen und Beziehungen muß entwirrt werden.

Und es sieht - fast bis zum Schluß - so aus, als sollte ihm das nicht gelingen. Ständig stößt Nanther auf neue Mauern des Schweigens. Nahe Verwandte - zum Teil durch seine Nachforschungen erst als solche erkannt - verbergen ihr Wissen hinter Lügen und Ausflüchten. Was ist der Grund dafür?

Barbara Vine (alias Ruth Rendell) läßt den Abgeordneten des britischen Oberhauses - er hat den Peerstitel von seinem Urgroßvater geerbt - zwischen dem House of Lords und seinem Heim pendeln, zwischen parlamentarischen und ehelichen Pflichten, zwischen Abscheu und Neugier, zwischen Aufgeben und Nachgeben.

Wie die Autorin das macht, ist wahrhaft meisterlich, wie sie die Fäden zwischen den Familienmitgliedern spinnt und sie miteinander verknüpft, dramaturgisch ausgeklügelt. Und so ganz nebenbei erteilt sie eine Lektion über Verhaltensmuster der höheren Schichten im viktorianischen wie im heutigen England.

Martin Nanther, den die Autorin den Eingangssatz sagen läßt, macht tatsächlich Blut zu seinem Thema - im wahren und im übertragenen Sinne des Wortes. Er taucht metaphorisch - mal abgestoßen, mal fasziniert - tief in den roten Lebenssaft ein und entwickelt im Laufe der Zeit ein Fachwissen über Blut und die Bluter-Krankheit, das ihm letztendlich die Antwort auf die Frage gibt: Was hat sein Urgroßvater so Abscheuliches getan, daß er dieses Geheimnis mit ins Grab genommen hat?

Auch der Urenkel wird den Leibarzt der Königin nicht vom Sockel stoßen. Aber sein Verzicht, dessen Biographie zu schreiben, basiert nicht auf Scham oder Scheu, sondern einzig auf der Tatsache, daß er nichts wirklich beweisen kann.

"Königliche Krankheit" ist der perfekte Mix aus Liebe, Schuld und Sühne, und Barbara Vine erweist sich neuerlich als Meisterin des Psychokrimis. Anerkennung erhielt übrigens auch sie von königlichen Gnaden: Queen Elizabeth II. adelte die "Lady of Crime" und berief sie in das House of Lords. Frauke Kaberka

Barbara Vine: "Königliche Krankheit". Diogenes Verlag. Euro 23,90. ISBN 3-25706345-8

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