Im virtuellen Raum wird eine Gallenblasen-Op gefahrlos geübt

BERLIN (gvg). Ein Chirurg aus Japan hantiert mit Haltezange und Clip-Anlegezange. Er starrt auf einen Bildschirm, hebt die Gallenblase an und setzt Clips, um den Gallengang abzuklemmen. Alltag in der Laparoskopieeinheit einer Klinik? Nicht ganz. Der Vorgang war rein virtuell.

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Der Japaner in Jeans und Krawatte verläßt den Tisch ohne die Operation zu vollenden: "In Wirklichkeit ist es einfacher", brummt er, was auch der nächste Chirurg bestätigt, der nur darauf gewartet hat, endlich auch einmal an die Instrumente gelassen zu werden.

Es ist Chirurgenkongreß in Berlin, und was auf dem Monitor so aussieht wie eine Gallenblase bei einer laparoskopischen Gallenblasenentfernung, ist in Wahrheit eine Computersimulation. Sie wird erzeugt von einer Computer-Roboter-Einheit, die die Realität der minimalinvasiven Chirurgie täuschend echt wiedergibt.

Mit einer Datenbasis aus Computer- und Magnetresonanztomographien werden dreidimensionale Gitter erzeugt, die die Gallenregion mit der angrenzenden Leber und der Bauchwand in hoher Auflösung reproduzieren. Und um das Ganze mit Leben zu füllen, werden Fotos des Bauchraums, die bei einer echten Op gemacht wurden, darüber projiziert.

Roboterarme erzeugen Gegendruck auf die Instrumente

Doch die Simulation sieht nicht nur echt aus. Der Clou ist, daß sie sich auch so anfühlt. Hierzu reicht ein Hochleistungsprozessor, der bis zu 25mal pro Sekunde radiologische Schnittbilder in Abhängigkeit von den Bewegungen der Instrumente in die dritte Dimension übersetzt, nicht aus.

Gebraucht werden Roboterarme, die Zangen, Skalpelle und Kameraeinheiten - nahe an der chirurgischen Wirklichkeit in kleinen Schlitzen in einem simulierten Bauchraum steckend - von außen nicht sichtbar umgreifen. Diese Arme aus Metall, zwei bis drei pro Instrument, erzeugen eine für den Operateur spürbare Gegenkraft, wenn er mit seinem Instrument ein Organ berührt, es hochhebt oder zur Seite schiebt.

Wer zum Beispiel mit der Haltezange an die Leber kommt, der spürt zunächst einen leichten Widerstand. Drückt er das Instrument kraftvoller an das Organ, dann gibt es nach, während der gefühlte Widerstand wächst. Wer noch weiter drückt, löst schließlich eine Blutung aus. Hier hilft dann nur noch die Elektrokoagulation. Wie im echten OP erfolgt diese mit dem Fußpedal, natürlich unter Rauchentwicklung.

Der Lap Mentor, so der Name des Geräts, ist gedacht als eine Trainingseinheit für Neulinge in der minimalinvasiven Gallenblasenchirurgie. Hergestellt wird er in einer Kooperation des hessischen Unternehmens PolyDimensions und dem US-amerikanischen Unternehmen Simbionix. Bevor es ans simulierte Operieren geht, übt der Laparoskopie-Neuling zunächst die Navigation der Instrumente im Raum an simplen, geometrischen Figuren, die sich heben und zerschneiden lassen

Sechs virtuelle Patiententypen sorgen für Abwechselung

Erst danach geht es an die Gallenblasenentfernung, wobei hier sechs virtuelle Patienten zur Verfügung stehen, bei denen unterschiedliche anatomische Verhältnisse für wechselnde Schwierigkeitsgrade sorgen.

Der Lap Mentor soll ab sofort in Deutschland vermarktet werden. Nach Angaben des Herstellers hat eine Berliner Klinik jetzt als erste Einrichtung in Deutschland ihr Interesse angemeldet. Zielgruppe sind auch die vielen Trainingszentren für die minimalinvasive Chirurgie. Ganz billig ist der Simulator nicht: Wer auf das haptische Feedback Wert legt, ist mit etwa 75 000 Euro dabei. Ein rein visueller Lap Mentor ohne Roboterarme kostet etwa 50 000 Euro.

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