Kriegsgeschockte, von Psychiatern weiter malträtiert

Veröffentlicht:

"Der moderne hochtechnisierte Krieg traf an allen Fronten Menschen, die dem Inferno des pausenlosen Kugel- und Granathagels, dem grellen Leuchten, Blitzen und Flackern der Frontabschnitte, dem infernalischen Brüllen und Kreischen berstender Metallgeschosse, dem perfiden Summen und Pfeifen der Projektile und Querschläger, den Schreien der Verletzten, dem Anblick von Leiberfetzen in den Stahlgewittern Flanderns und der Argonnen nicht mehr standhalten konnten und wollten", schreibt Professor Wolfgang U. Eckart, Medizinhistoriker von der Universität Heidelberg.

"Viele wurden irre an dieser Situation, zitterten, krampften, erbrachen sich pausenlos, näßten ein, verstummten, vergruben sich in ihr Innerstes, reagierten skurril."

Das Thema Kriegsneurose, Granatschock, Kriegshysterie beherrschte die deutsche Psychiatrie der Kriegsjahre. "Freilich sollten die Kriegspsychiater niemals Verbündete ihrer Patienten werden, sondern immer Aufklärer vermeintlicher Simulation und "Willensschwäche bleiben und sich damit regelmäßig als Feinde ihrer Schutzbefohlenen erweisen", so Eckart in der "Ärzte Zeitung".

So pervers wie dieses Ziel, so pervertiert seien auch die "therapeutischen" Instrumente der Behandler gewesen: Da wurden elektrische Stromstöße als Überrumpelungsmaßnahmen, stundenlange Anwendung schmerzhaftester elektrischer Sinusströme - die "Kaufmann-Kur" -, die Nötigung, Erbrochenes wieder herunterzuschlucken, Röntgenbestrahlungen in Dunkelkammern, wochenlange Isolationsfoltern, die Provokation von Erstickungstodesangst durch Kehlkopfsonden oder Kugeln eingesetzt. Es gab sogar herzlos inszenierte Scheinoperationen in Äthernarkose, die von den Betroffenen wie Hinrichtungen empfunden wurden.

Eckart: "Seelisch Gebrochene blieben zurück, wenn sie nicht zuvor aus Gründen der Abschreckung direkt in die Trommelfeuer zurückgeschickt waren." (eb)

Lesen Sie dazu auch:

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zum Pankreaskarzinom aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen