Lizenz zum Fliegen - dank einer Prothese aus Deutschland

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:

Bevor der Pilot Andrew Lourake ins Cockpit seiner Air-Force-Maschine steigt, klopft er dreimal mit dem linken Fuß auf den Boden. Dann ertönt ein Piepton wie bei einem Hörgerät. Das ist das Signal, daß sich sein Bein im richtigen "Modus" befindet.

Der 43jährige US-Amerikaner trägt eine Prothese mit einem mikroprozessor-gesteuerten Kniegelenk, das individuell für ihn programmiert ist. Das High-Tech-Produkt "C-Leg" des Duderstädter Orthopädietechnikherstellers Otto Bock machte jetzt etwas möglich, was bislang als unmöglich galt: Andrew Lourake kann als weltweit erster oberschenkelamputierter Pilot wieder in seinem Beruf arbeiten.

Vor kurzem hat ihm die Air Force der USA eine neue Lizenz erteilt. Jetzt fliegt Lourake wieder wichtige Persönlichkeiten der USA kreuz und quer durch die Welt, von Kongreßabgeordneten und Regierungsmitgliedern bis hin zum Vizepräsidenten und zur First Lady.

Kürzlich war der Pilot auf Einladung der Otto Bock Healthcare einige Tage in Duderstadt zu Gast. Er ist inzwischen nicht nur wieder als Pilot tätig, sondern auch zum Botschafter in Sachen C-Leg geworden: "Ich will anderen Menschen Mut machen und ihnen zeigen, daß man auch nach einer Amputation wieder ein ganz normales Leben führen kann", sagt der 43jährige US-Bürger.

Lourakes Pilotenkarriere war 1998 unterbrochen worden. Bei einem Motorradunfall erlitt er einen Beinbruch, durch eine Infektion kam es zu Komplikationen. Nach 18 Operationen stellten ihn die Ärzte vor die Alternative: Entweder müsse er lebenslang ein steifes Bein behalten oder sich das Bein oberhalb des Knies amputieren lassen. Der Pilot hatte nur ein Ziel: "Ich wollte wieder ins Cockpit". Mit einem steifen Bein wäre dies unmöglich gewesen. Er durchstöberte das Internet, stieß auf das C-Leg des Orthopädietechnikherstellers Otto Bock und entschied sich für die Amputation.

Innerhalb weniger Wochen lernte der Pilot das Gehen mit dem über 40 000 Dollar (30 000 Euro) teuren C-Leg, das ihm die Air Force finanziert hatte. Um seine Flugerlaubnis zurückbekommen zu können, waren allerdings noch viele Monate hartes Training nötig. Vor allem wenn ein Flugzeug am Boden bewegt wird, seien die Beine sehr wichtig, erzählt der Pilot. Dies gelte insbesondere für die gefährliche Phase beim Starten einer Maschine.

Ähnlich wie ein Autofahrer muß auch ein Pilot kräftig das Bremspedal treten können. Lourake trainierte erst mit Pedalen am heimischen Computer, dann an Flugsimulatoren. Beim Notfalltraining mußte er dann noch beweisen, daß er schnell aus einer brennenden Maschine herauskommen könnte, um Passagieren zu helfen. Der Prothesenträger bestand den Härtetest - er war schneller als seine unversehrten Kollegen.

Nach einem immensen Papierkrieg um die Erneuerung seiner Lizenz war es im Oktober soweit: Andrew Lourake absolvierte den ersten Flug seit seinem folgenschweren Unfall. Nach der Landung auf der Air Base feierten ihn 500 Zuschauer, unter anderem Vize-Verteidigungsminister Paul D. Wolfowitz.

Inzwischen hat sich Lourake noch einen weiteren Job gesucht: Der Pilot besucht regelmäßig im Walter Reed Army Medical Center in Washington US-Soldaten, die beim Einsatz im Irak ein Bein verloren haben. Er erzählt ihnen seine Geschichte, führt ihnen sein C-Leg vor und ermuntert sie, daß sie auch als Kriegsversehrte in der Armee bleiben können.

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