Krankenbetten, Kreißsaal und Kanister mit Kunstblut fürs TV

BERLIN/MÜNCHEN (dpa). Vermutlich liegt er dort aus leidvoller Erfahrung. "Achtung Kulisse!" hat jemand auf den Zettel geschrieben, der in dem Männer-Pinkelbecken liegt. Die Urinale in der Klinik im Berliner Oskar-Helene-Heim sind eine Requisite, genauso wie der Defibrillator, der keine Elektroschocks mehr aussendet.

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In dem stillgelegten Krankenhaus in Dahlem drehen Film- und Fernsehfirmen Szenen rund um Arzt, Praxis und Krankenbett, von der Geburt bis zur Gerichtsmedizin.

Vor kurzem war Hollywoodschauspielerin Jodie Foster da. Für ihren Film "Flightplan" spielte sie in der Pathologie eine Szene, in der sie ihren toten Mann identifiziert. "Medizinische Szenen gibt es in 90 Prozent aller Spielfilme", sagt der studierte Mediziner Jörg Meier (41) von "Flatliner". Benannt nach dem gleichnamigen US-Thriller haben sich Meier und sein Geschäftspartner Stefan Schröder (39) auf Medizin im Film spezialisiert und die zwei 12 000 Quadratmeter umfassenden Klinikgebäude angemietet.

Viel Inventar stammt aus einem anderen nach dem Mauerfall ausrangierten Krankenhaus, dazu sammelte das Duo einen gewaltigen Requisitenfundus und bietet medizinische Fachberatung an. In den endlosen Gängen gibt es, was Filme und Serien wie "Für alle Fälle Stefanie" brauchen: Krankenhausflure, Patientenzimmer, OP-Saal, Kreißsaal und sogar einen Computertomographen.

Auf einer Fensterbank im Flur liegt der Brust-Gips, den Daniel Brühl in "Good Bye, Lenin!" getragen hat. Dazu türmen sich in den Zimmern regalweise Requisiten, Spritzen, Verbandszeug und Kanister mit Kunstblut. Aus einem Pappkarton ragt die Attrappe eines verletzten Beins.

Im vom Neonlicht erhellten kalten Keller seziert Schauspieler Ulrich Mühe seine Leichen für die ZDF-Serie "Der letzte Zeuge". Die Requisiten haben die "Flatliner" mit Liebe zum Detail zusammengetragen. Sogar Ultraschallbilder von Embryos gibt es bei ihnen, für jene oft verwendeten Szenen, bei denen eine - nur im Film - schwangere Frau beim Arzt ist. An einer Wand hängt das Röntgenbild eines Kopfdurchschusses: im Krimi oft benötigt, im Alltag eine Rarität.

Sind Filmgeschäft und Dreharbeiten nicht anstrengend? Meier schüttelt den Kopf. Er liebt es, als Fach-Berater ganz dicht neben dem Kameramann den Schauspielern zuzuschauen. Die "Flatliner" liefern Location und Requisite. Und in München haben sich "The Dox" auf die Beratung bei Drehbüchern und Stoffentwicklung spezialisiert. "Es ist ganz wichtig, daß die Details stimmen", sagt der Psychiater Pablo Hagemeyer (34), der sich mit einem Hirnforscher und einem Neurologen zusammengetan hat.

Zu ihren Projekten gehören die Serien "Für alle Fälle Stefanie", "Marienhof" und "Der Landarzt", dem die Mediziner etwa ungewöhnliche Krankheiten ins Drehbuch schreiben. Für eine andere ZDF-Produktion fanden sie passend zum exotischen Schauplatz die Therapie-Möglichkeit einer "Kokosnuß-Infusion". Die gibt es wirklich. "Was wir vorschlagen, stimmt immer", unterstreicht Hagemeyer.

"Halbgötter in Weiß" mag er ebenso wenig wie eine schief geschilderte Atmosphäre, etwa wenn Patienten als ahnungslos und Mediziner als allwissend dargestellt sind. Ein Klassiker bei den Fehlern ist für ihn der Pathologe, der am Tatort schon weiß, daß der Mord vor einer Stunde passiert ist. "Das geht gar nicht." Auch bei den Dresscodes kann einiges schief gehen, so muß der Kittel bei Arzt und Krankenpfleger stimmen: Der eine trägt ihn bekanntlich in kurz, der andere in lang.

Infos im Internet: www.flatliner.tv, www.thedox.de

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