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Diagnostik beim "Patient Familie"

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Familie steht hoch im Kurs, wie Umfragen immer wieder belegen. Den meisten schwebt vermutlich ein Ideal vor: eine fröhliche Gemeinschaft mit Eltern, die einvernehmlich und demokratisch handeln, Konflikte auf gute Art lösen und offene Gespräche führen.

Doch in einer Familie als nicht-linearem System können kleine Abweichungen unvorhersehbare Folgen haben: Das Wunschkind demoliert die Einrichtung oder näßt nachts ein - so macht es darauf aufmerksam, daß in dem Netzwerk der Beziehungen etwas nicht stimmt.

Familientherapeuten wirken dann zunächst als Diagnostiker, und diese Kunst, die unbewußten Phantasien, Wünsche und Ängste, die Geschichte und Zukunftsentwürfe der Mitglieder freizulegen, wird in dem von Professor Manfred Cierpka herausgegebenen "Handbuch der Familiendiagnostik" beschrieben.

Etliche Kapitel sind dem ersten Gespräch mit dem Therapeuten gewidmet, detailliert werden auch allgemeine Prinzipien erörtert wie Erziehungsstil oder über Generationen weitergegebene Konflikte. Denn das unerledigte Frühere bricht immer wieder durch - wie bei jener Frau, die als Kind nicht gegen ihre übermächtige Mutter ankam und nun den Anspruch hat, ihrer Tochter eine bessere Mutter zu sein. Sie setzt keine Grenzen, was das Kind zu Wutausbrüchen treibt - und die Mutter sieht hilflos zu, wie früher, wie unter innerem Wiederholungszwang.

Solche eingespielten Beziehungsmuster offenbaren auch Zeitlupenfilme von Familien: Dialoge erscheinen als subtiler Tanz zwischen Sprecher und Zuhörer, als rhythmisches Vor und Zurück wie bei einer präzisen Choreografie, so daß der Betrachter den Eindruck hat, einem einzigen Organismus gegenüberzustehen. (ars)

Manfred Cierpka (Hrsg.), Handbuch der Familiendiagnostik, Springer, Heidelberg, 2003, Euro 49,95; ISBN 3-540-41125-9

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