Mumifizierte Hand gibt Forschern Rätsel auf

NIENBURG (dpa). Stolz präsentiert Niedersachsens Landesarchäologe Henning Haßmann die "sensationelle Entdeckung": eine zierliche, schrumpelige Hand mit leicht gekrümmten Fingern, einen Oberschenkelknochen, Schädelteile und lederartige Hautfetzen. Das sind Teile der Überreste einer jungen Frau, die vor mehr als 2500 Jahren im Uchter Moor im Kreis Nienburg zu Tode gekommen ist. Einen vergleichbaren Fund hat es in Europa seit 40 Jahren nicht mehr gegeben.

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Arbeiter hatten die Moorleiche entdeckt. Von Donnerstag an soll das fast komplette "Mädchen aus dem Uchter Moor" für zwei Wochen im Landesmuseum Hannover zu sehen sein. Im Jahr 2000 waren erste Teile des Skeletts beim Torfstechen an die Oberfläche gekommen. Mit einer schweren Maschine hatte ein Arbeiter Furchen in das entwässerte Moor gezogen. Die Torfbrocken wollte er per Hand zum Trocknen stapeln, als ihm die Knochen auffielen.

"Wir haben die Polizei verständigt", sagt Moormeister Reinhold Radtke. Die Behörden gingen von einem aktuellen Kriminalfall aus, doch kam die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht weiter. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Die Knochen kamen in die Gerichtsmedizin in Hamburg.

Im Januar dieses Jahres entdeckte ein Arbeiter dann an derselben Stelle eine Hand im Torf. Die Polizei nahm die Ermittlungen wieder auf und kam dieses Mal auf die richtige Spur: Experten des niedersächsischen Landesamts für Archäologie wurden verständigt. Die untersuchten das Alter der Leiche und stellten fest: Der Teenager hat etwa 650 vor Christus gelebt. Er starb mitten im damaligen Hochmoor.

"Die Menschen, die in der Nähe des Moores lebten, wußten, wie gefährlich es ist," sagt der Leiter der Ausgrabungen, Alf Metzler. Er kann sich nicht vorstellen, daß die junge Frau freiwillig so tief in den Morast watete. Hinweise auf Gewalt gaben gerichtsmedizinische Untersuchungen allerdings nicht. "Vielleicht war sie auf der Flucht oder hat sich verirrt", vermutet Metzler.

Die zunehmende Technisierung hat derartige Funde selten gemacht. Wo früher Menschen per Hand den Torf stachen, ziehen heute große Maschinen tiefe Furchen in das trocken gelegte Moor. Kleine Leichenteile, die noch dazu farblich kaum vom Torf zu unterscheiden sind, bleiben so meist unentdeckt. In Niedersachsen wurde die letzte Moorleiche vor 50 Jahren gefunden. "Ich bin nicht stolz, aber empfinde eine gewisse Befriedigung," sagt Alf Metzler.

Paläo-Biologe Andreas Bauerochse verspricht sich von der Untersuchung der Moorleiche Aufschlüsse über das Leben vor 2500 Jahren. Der Fund werde die Forscher lange beschäftigen. "Heute haben wir eine Hand voll Fragen, in einer Woche werden es wahrscheinlich mindestens zwei Hände voll sein."

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