Alzheimer - das bewegende Antlitz einer Krankheit

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Alzheimer - erst geht das Gedächtnis, dann folgt die Persönlichkeit - allein der Körper bleibt. Was die Patienten noch denken können, wie sie fühlen, ist unklar. Zusammen mit Angehörigen kämpfen sie gegen den schleichenden Verlust ihres Selbst. Oft ist der Weg ins Heim unausweichlich.

Dorthin ist ihnen Peter Granser gefolgt. Der international bekannte Fotograf hat nach langen Gesprächen und viel Überzeugungsarbeit eine Bilderserie schaffen dürfen, die bewegt. Er zeigt nur die Gesichter der Menschen - nicht das Reportagebild jenes Mannes, der in den Flur pinkelt, weil ihm das Konzept "zur Toilette gehen" nicht mehr präsent ist.

Bilder entstanden in einem Pflegeheim für Demenzkranke

Entstanden sind die Bilder im Stuttgarter Gradmann Haus, ein Modellprojekt für Alzheimer- und Demenzkranke. In einem Buch mit dem schlichten Titel "Alzheimer" werden sie jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Porträts zeigen suchende Augen, ein Lachen, Freude, Abwesenheit, Trauer, wächserne Starre, ernste Stille, Gelassenheit. Meist entstanden die Fotos vor einem strahlend weißem Hintergrund. Nichts auf den Abbildungen lenkt von den alten Gesichtern ab, nichts erlaubt dem Auge abzuschweifen. Granser zwingt den Blick seiner Betrachter direkt und unausweichlich ins Antlitz der Krankheit.

Die Fotos verleihen den Patienten ein Stück Würde

Die eindringlichen Bilder, in hellen Pastelltönen gehalten, verleihen den Patienten ein Stück Würde. Die Bilder sind zugleich eine Mahnung: In den Industriestaaten sind etwa zwei Prozent der 65jährigen Menschen betroffen. Bei den 70jährigen drei Prozent. Bei den 75jährigen zeigen sechs Prozent Symptome, bei den 85jährigen bereits 25 Prozent. In Deutschland leiden etwa eine Million Menschen an einer Demenz, die meisten an Morbus Alzheimer. Wegsehen geht nicht. Und ganz besonders bei Gransers Fotos nicht.

"Peter Granser Fotografien wollen den Verlust, den Alzheimerpatienten fühlen und erfahren müssen, nicht verbergen, sondern veranschaulichen den Schmerz, den Patienten und deren Angehörige erleiden", schreibt Professor Fritz A. Henn, Sprecher des Kompetenznetzes Demenzen und Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, in einem Geleitwort zum Buch. "Gleichzeitig sind sie aber auch eine Anerkennung für die Bewahrung der menschlichen Würde unter denkbar schwierigsten Umständen." (dpa/eb)

Peter Granser: Alzheimer. Kehrer Verlag. Heidelberg 2005. 96 Seiten. 24 Euro. ISBN: 3-936 636-34-6

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