"Ich habe wiedererkannt, was mir als Krankenhausarzt passiert ist"

Von Friedrich Hofmann Veröffentlicht:

Während ich mich langsam durch die Menschenmenge schiebe, die sich am Ausgang von Gleis 1 aufgestaut hat, muß ich unwillkürlich an Emil, seine Detektive und ihre geheime Losung "Parole Emil" denken. Doch dieser Bahnhof ist nicht der Bahnhof Friedrichstraße, sondern der Bahnhof Zoo - und diesmal lautet die Losung "Parole Pandemie".

Ich will mich mit Christoph Spielberg treffen, und ich habe ihm genau meinen geplanten Weg durch den Bahnhof beschrieben, der mich zur Buchhandlung im Erdgeschoß führen soll. Und dann höre ich plötzlich in der Menschenmenge "Pandemie", schüttele dem mittelgroßen, kaum grauhaarigen Mann, der vor mir steht, die Hand - und eine Viertelstunde später sitzen wir schon in einer Kneipe am Savignyplatz und reden über Gott, die Welt und vor allem über die Medizin und die Literatur.

Die Parallelen zwischen den beiden Mittfünfzigern, die auf das Essen warten, sind frappierend; denn schon bald haben wir festgestellt, daß wir uns im selben Jahr - natürlich an verschiedenen Orten - habilitiert haben. Ich bin der Kardiologie irgendwann untreu geworden, ist Christoph Spielberg dagegen ist bis heute bei seinem Leisten geblieben und behandelt in einer Gemeinschaftspraxis "seine" Herzkranken - Krimischreiben also nur nebenbei.

"Am Glauser hat mich vor allem gefreut, daß ich ihn für ein Buch bekommen habe, das eigentlich schon längst abgelehnt worden war."

"Warum abgelehnt?"

"Weiß ich eigentlich nicht."

"Und wie ist die Geschichte dann weitergegangen?"

"Über einen Kollegen ist das Manuskript nochmal an den Verlag gegangen und ohne Probleme angenommen worden. Aber als ich dann den Glauser bekommen habe, habe ich bei meiner Rede die Folie mit dem Ablehnungsbrief aufgelegt - daß das den Leuten vom Verlag natürlich gar nicht gefallen, ist natürlich klar."

Also der "Glauser", der angesehenste deutsche Krimipreis - und bei Christoph Spielberg natürlich in der Kategorie "Bestes Krimidebüt".

Kein Wunder, daß die "Russische Spende", die vor vier Jahren herausgekommene, unglaublich spannende Geschichte von der Umwandlung einer Berliner Klinik in eine Geldwaschanlage der russischen Mafia inzwischen Karriere gemacht hat.

"Im Augenblick verhandele ich gerade mit ein paar Leuten vom Film."

"Über die ,Russische Spende'?"

"Nein, auch über die anderen drei Hoffmann-Krimis", sagt Spielberg - und schon sind wir bei der Geschichte von den Durchstechereien bei den Sozialstationen, die einfach Honorare für längst gestorbene Patienten einfordern ("Denn wer zuletzt stirbt") und dem im irakisch-kurdischen Berliner Milieu angesiedelten Roman "Hundertundeine Nacht".

"Aus ,Hundertundeine Nacht‘ habe ich gelernt, daß man eigentlich nie zu sehr mit aktuellen politischen Bezügen arbeiten sollte", sagt Spielberg.

"Auch wenn uns der Irak-Krieg immer noch beschäftigt?"

"Auch dann: Ich habe viele Passagen umschreiben müssen, als das Kriegsszenario sich geändert hat. Und ich habe die Gefahr unterschätzt, daß das Buch plötzlich eines Tages nicht mehr aktuell ist und zum Ladenhüter verkommt."

"Und deshalb jetzt der Weg zurück in den Klinikalltag?"

"Vielleicht auch."

Wir sind also beim "Vierten Tag" angekommen, dem neuen Krimi, der kürzlich erschienen ist und der Spielberg wieder dorthin zurückgeführt hat, wo er einmal so erfolgreich begonnen hat. Natürlich muß der häufig ach so ungeschickte Dr. Felix Hoffmann, der uns durch alle bisherigen Spielberg-Bücher begleitet hat, auch dieses Mal wieder ein Abenteuer bestehen, wie es haarsträubender nicht hätte ausfallen können.

Ein augenscheinlich Schwerbehinderter mit Blindenbinde und Blindenhund betritt die Intensivstation, zieht plötzlich eine Pistole und hält das Personal tagelang in Schach - mit der Forderung: eine Million Euro oder ein toter Arzt für jeden Patienten, der von nun an stirbt.

"Das einzig Unappetitliche bei der ganzen Sache waren die vielen Hundefürze, die ich wirklich gerochen habe, als ich das Buch gelesen habe", beschwere ich mich bei Christoph Spielberg.

"Und sonst?"

"Spannend, zum Lachen, authentisch."

"Warum authentisch?"

"Weil das Krankenhaus wirklich so funktioniert, wie Sie es aufgeschrieben haben."

"Und das wäre?"

"Na ja: Mit der gegenseitigen Abneigung von Krankenschwestern und Ärzten... und mit dem ewigen Streit der beiden Gruppen mit der Verwaltung. Das war so echt, und da habe ich alles wiedererkannt, was mir selbst als Krankenhausarzt passiert ist."

"Also hat es Ihnen gefallen?"

"Unbedingt! Und von dieser Sorte würde ich gern noch mehr lesen."

"Wenn der Verlag das will..."

"Will er denn nicht?"

"Ich weiß es nicht."

"Vielleicht hilft ja die Verfilmung..."

"Wenn sie denn kommt."

Christoph Spielberg ist augenscheinlich skeptisch - und gleichzeitig froh darüber, daß er bei seinem Leisten geblieben ist und weiterhin "seine" Patienten behandelt. Und dann sind wir plötzlich bei der Feindschaft zwischen (manchen) Kardiologen und (manchen) Kardiochirurgen und bei der schier unbegrenzten Schaffenskraft der Herzoperateure, für die auch ein Dreißigstundentag noch nicht das Limit zu sein scheint. Aber mittlerweile ist das dritte Bierglas leer - und eigentlich ist die Sache mit den Chirurgen und den Internisten, worüber wir jetzt reden eine ganz andere Geschichte, wenn sie nicht eines Tages im soundsovielten Felix-Hoffmann-Krimi auftaucht...

Christoph Spielbergs Krimis "Die russische Spende"(2001), "Denn wer zuletzt stirbt"(2002), "Hundertundeine Nacht"(2003) und "Der vierte Tag"(2005) sind alle als Taschenbücher im Piper-Verlag, München, erschienen.

Professor Friedrich Hofmann ist Arbeitsmediziner, Epidemiologe, Infektiologe und selbst Schriftsteller. Er ist Leiter der Abteilung für Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz an der Universität Wuppertal.

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