Student verteilt Rollstühle an die Gift-Opfer Vietnams

Von Grit Büttner Veröffentlicht:

Über nichts freut sich Thanh Long so sehr wie über Post aus seiner Heimat. In einem der letzten Briefe lag das Foto eines Mädchens im Rollstuhl. Ihre Mobilität verdankt die Vietnamesin einer Spende aus dem fernen Wismar.

Dort sammelt der Student Thanh Long seit drei Jahren medizinische Hilfsmittel für Spätopfer des US-Chemiewaffeneinsatzes in Südostasien. Auch 30 Jahre nach Ende des Vietnam-Krieges ist hochgiftiges "Agent Orange" Ursache dafür, daß unbeachtet von der Welt viele Kinder mißgebildet geboren werden.

In nur fünf Jahren 90 Millionen Liter Entlaubungsmittel versprüht

Besonders von 1966 bis 1971 versprühten die USA etwa 90 Millionen Liter dioxinhaltiges Entlaubungsmittel, darunter "Agent Orange", über Urwäldern und Reisfeldern Zentral- und Südvietnams, um dem Feind Deckung und Nahrung zu nehmen. Das Gift baut sich nicht ab, es wirkt krebserregend und verursacht nachhaltige Erbgutveränderungen.

Nach Schätzungen gibt es bis zu vier Millionen vietnamesische Opfer. Auch in der dritten Generation kommen in Vietnam täglich überdurchschnittlich viele körperlich und geistig schwer behinderte Kinder zur Welt, nach Angaben des Roten Kreuzes sind es bis heute mehr als 100 000.

Folgen des Gifteinsatzes erinnern an Hiroshima

"Der Gifteinsatz ist von den Folgen und der Langfristigkeit her mit den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki vergleichbar", sagt Thanh Long. Geboren und aufgewachsen ist der heute 24jährige an der malerischen Ha-Long-Bucht im Nordosten Vietnams. Anfang der 90er kam er nach Deutschland, jetzt studiert er Design an der Hochschule Wismar.

Vor fünf Jahren besuchte er Vietnam. "Ich entdeckte mein Land aus einer anderen Perspektive, sah plötzlich die große Armut." Vor allem das Leid behinderter Kinder, die oft in Heimen leben, ließ den jungen Mann nicht mehr los. "Die Not nimmt kein Ende. Und Rollstühle sind für Vietnamesen unbezahlbar."

Student schickte Rollstühle und Krankenbetten in die Heimat

Am Anfang stand in Thanhs Studentenbude eine Sammelbüchse. Bis heute schlossen sich 20 Kommilitonen seiner Hilfsorganisation "Charity Association for Children" an - Asiaten, Afrikaner, Amerikaner, Franzosen, Deutsche. Mit den ersten beiden Rollstühlen im Gepäck flog Thanh Long 2004 nach Vietnam.

"Die zwei behinderten Kinder schaffen damit jetzt erstmals allein ihren Weg zur Schule." Im Mai 2005 gingen 44 Rollstühle und 46 Krankenbetten mit dem Jungfernflug eines Airbus der Vietnam Airlines auf Reisen. Ein weiterer Transport ist für Jahresende avisiert. Und von 2006 bis 2015 gibt es jährlich einen Überführungsflug eines neuen Airbus von Hamburg nach Hanoi, der auch Hilfsgüter mitnehmen wird, hofft Thanh.

Ausrangierte Rollstühle werden generalüberholt

Sein Telefon läßt der Student nicht aus den Augen, schließlich laufen bei ihm alle Fäden der Hilfsorganisation zusammen. Wieder sichtet er Anträge behinderter Kinder, die aus einer der ärmsten Provinzen des Landes, aus Ha Giang in Nordvietnam, kommen.

Die ausrangierten Rollstühle und Betten von Sanitätshäusern und Kliniken werden vom Verein "Schweriner Tafel" generalüberholt. In der Werkstatt nimmt Jörg Grünwald für einen Euro die Stunde Rollis auseinander, reinigt und repariert sie und baut sie wieder zusammen. Nicht nur für Vietnam, auch für Rußland- und Afrika-Projekte und das Kinderhilfswerk, erklärt der 45jährige.

Die Wismarer Studenten haben Nachschub angekündigt: 20 Rollstühle und 40 Krankenbetten sollen noch in diesem Jahr nach Südostasien geflogen werden.

Dort beginnt dann wieder eine komplizierte Verteilaktion, denn viele Familien leben in entlegenen Gebieten und sind mitunter nur über schmale Waldpfade, per Moped oder gar nur mit Booten zu erreichen, berichtet Thanh Long. "Rollstühle in Deutschland zu bekommen, ist nicht leicht, aber sie in Vietnam zu verschenken, noch viel schwieriger!" (dpa)

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