TV-Dokumentation zu Sternstunden der Medizin

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Triumphe und Rückschläge, gewagte Experimente und unerwartete Durchbrüche kennzeichnen die Geschichte der Medizin bis heute. Die ARD widmet sich diesem umfangreichen Thema ab heute mit einer vierteiligen Dokumentation.

Die schiere Menge an Fakten aus der Medizingeschichte machen die Dokumentationen von jeweils 45 Minuten Länge einerseits sehr abwechslungsreich, zugleich ist sie das Problem der Filmemacher um Uwe Kersken und Christian Feyerabend.

Eine schöne Idee ist zunächst der rote Faden, der sich durch alle Folgen zieht, nämlich eine Gartenparty, auf der vier Generationen einer Familie versammelt sind. Worüber redet man bei solchen Feiern? Über Krankheiten: Krankheiten der Kinder, den Herzinfarkt vom Opa, die "neue Niere" des Onkels. Diese kurzen Begebenheiten sind thematischer Ein- und Ausstieg jeder Folge oder auch Mittel zum Themenwechsel im Film.

Die Abfolge der Themen erfolgt nicht chronologisch, sondern in Themenblöcken. Gleichwohl kann interessierten Zuschauern nicht empfohlen werden, sich bei der Auswahl nach den Titeln der einzelnen Folgen zu richten. Denn diese Bezeichnungen sind leider irreführend, zumal die Intention der Filmemacher war, jede Doku-Folge einem Lebensabschnitt zu widmen.

So beginnt der erste Teil "Tödliche Keime" zunächst mit der Darstellung des Kaiserschnitts, bevor es später um das Kindbettfieber und die Pocken geht. Die Folge "Risiko Operationen" beschäftigt sich etwa eine halbe Stunde lang mit Mitteln zur Empfängnisverhütung, der Syphilis und der Entwicklung des Ultraschalls, bevor dann plötzlich die Sprache auf den französischen Feldscher Ambroise Paré (1510 bis 1590) und seinen Zeitgenossen, den Anatomen Andreas Vesalius (1514 bis 1564) kommt. Die Computertomographie taucht nicht in "Sichere Diagnose", sondern im Teil "Umstrittene Therapien" auf.

Abgesehen von den oft sehr raschen Themen- und großen Zeitsprüngen zeichnet sich die Dokumentation durch eine lebendige Darstellung aus. Szenische Rekonstruktionen wechseln sich ab mit kurzen Interviews mit Medizinhistorikern sowie teilweise unveröffentlichtem Filmmaterial aus den Archiven.

Beindruckend sind etwa Aufnahmen von den Anfängen der Gastroskopie, des diagnostischen Ultraschalls oder der ersten Implantation einer künstlichen Herzklappe im Jahre 1960. Das Filmteam hat Originalschauplätze der Medizingeschichte aufgesucht wie den "Äther-Dom" in Boston, wo 1846 die erste Narkose öffentlich vorgenommen worden ist, oder das Londoner Labor von Alexander Fleming (1881 bis 1955), des Entdeckers des Penicillins.

Angesichts mancher reißerischer Historien-Dokumentationen im Fernsehen fällt die Sachlichkeit der Beiträge positiv auf. Die medizinhistorischen Berühmtheiten werden nicht auf einen Sockel gehoben. Vielmehr beleuchten Kersken und seine Kollegen auch die Kehrseite manchen Durchbruchs.

So etwa, wenn der Geburtshelfer Friedrich Benjamin Osiander (1759 bis 1822) die Kinder in seiner Obhut als "lebendige Phantome" bezeichnet und sie damit zu reinen Forschungsobjekten degradiert oder der aus heutiger Sicht ethisch fragwürdige Impfversuch Edward Jenners gegen die Pocken bei einem Bauernjungen.

Auch Herzchirurg Christian Barnard (1922 bis 2001) kriegt von seinem einstigen Konkurrenten und Pionier der Herztransplantation Norman E. Shumway postum nachgeworfen: "Er wollte der erste sein." Mit den Tierversuchen sei man noch nicht weit genug gewesen.

Es liegt in der Natur des Mediums und an der Zielgruppe der Dokumentation, daß manches sehr kurz wegkommt. Dennoch: "Sternstunden der Medizin" ist eine anregende Dokumentation, die Lust macht auf mehr. Dieses Mehr wird man allerdings nur mit einem Griff ins Bücherregal befriedigen können.

Die Sendezeiten der Doku-Serie "Auf Leben und Tod - Sternstunden der Medizin" in der ARD:

  • Teil 1: "Tödliche Keime", 24.10, 21.45 Uhr
  • Teil 2: "Risiko Operationen", 31.10., 22.15 Uhr (neuer Sendetermin!)
  • Teil 3: "Sichere Diagnosen", 7.11., 21.45 Uhr
  • Teil 4: "Umstrittene Therapien", 14.11., 21.45 Uhr
Mehr zum Thema

Freiwillige Selbstverpflichtung reicht Minister nicht

Özdemir will Lebensmittelproduzenten Reduktionsziele vorgeben

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen