BUCHTIP

Fehleranalyse ohne Vorwürfe

Veröffentlicht:

Ein 28jähriger Mann kommt mit Aszites und ausgeprägten Beinödemen in die Klinik. Erst nach mehreren Wochen wird erkannt, daß ein thrombotischer Verschluß der großen Lebervenen vorliegt (Budd-Chiari-Syndrom). Erklären läßt sich diese Verzögerung damit, daß zusätzlich zur Thrombose ein Pleura-Empyem bestand, dessen Symptome von der Grunderkrankung ablenkten.

Diese Kasuistik stellt Professor Wilhelm Kirch aus Dresden in seinem Buch "Fehldiagnosen und Patientensicherheit" vor. Das erste Kapitel ist der Definition und Häufigkeit von Fehldiagnosen gewidmet. Demnach beträgt die Rate von Fehldiagnosen in Krankenhäusern seit vier Jahrzehnten unverändert etwa zehn Prozent.

Zu Irrtümern kommt es besonders oft bei Lungenembolien, Myokardinfarkten, Malignomen und Infektionen, hier vor allem bei Pneumonien. Erklären lassen sich Fehldiagnosen damit, daß klassische klinische Untersuchungen vernachlässigt und apparative Verfahren falsch gewichtet werden. Zudem haben die Obduktionszahlen und damit die Chance, aus Fehlern zu lernen, stark abgenommen: So wurden in einer Kieler Klinik im Jahr 1960 etwa 90 Prozent aller verstorbenen Patienten obduziert, im Jahr 2000 jedoch nur noch 20 Prozent.

In Kirchs Buch gibt es eigene Kapitel zu Fehldiagnosen in der Kardiologie, der Gastroenterologie und bei der Arzneimitteltherapie. Außerdem wird diskutiert, ob sich Fehldiagnosen durch Leitlinien vermeiden lassen. Den Abschluß bildet ein Beitrag zu Patientensicherheit und Risikomanagement.

Da Kirch und seine Mitautoren die Leser nie durch Erheben des moralischen Zeigefinger abschrecken, gefährden sie auch nicht ihr Anliegen, Arzt und Patienten durch fundierte Informationen vor Schäden zu bewahren. (ars)

Wilhelm Kirch (Hrsg.): Fehldiagnosen und Patientensicherheit. Springer-Verlag, Heidelberg 2005, 238 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 3-540-23739-9

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen