Helfer in extremen Krisensituationen

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"Es wird konkret über den Tod geredet": Notfallseelsorgerin während einer Rettungsübung.

"Es wird konkret über den Tod geredet": Notfallseelsorgerin während einer Rettungsübung.

© Foto: imago

HALLE (ddp). In Krisensituationen wie bei schweren Verkehrsunfällen ist Thea Ilse gefragt. Die Frau aus Halle ist seit 1999 als Notfallseelsorgerin im Einsatz. "Wir kommen - da ist die Welt gerade untergegangen", beschreibt sie ihre Aufgabe. Am schwierigsten sei es, Eltern die Nachricht vom Tod eines Kindes zu überbringen.

Bei ihrer Arbeit habe sie aber das gute Gefühl, jemandem geholfen zu haben, erläutert Thea Ilse ihre Motivation. "Man verschiebt weniger Dinge und freut sich mehr am Alltagsleben", fügt sie hinzu. "Die kleinen Dinge sind das Eigentliche", habe sie festgestellt.

Interessenten erhalten 80 Stunden Ausbildung im Seminar

Thea Ilse ist zugleich Vorsitzende des Fachverbands für Notfallseelsorge und Krisenintervention Mitteldeutschland. Sie leitet landesweit Seminare zur Notfallseelsorge. Für diese ehrenamtliche Aufgabe werden immer wieder neue Mitstreiter gesucht. Sie benötigen eine Ausbildung, die Ilse in einem 80 Stunden umfassenden Seminar anbietet. "Die Teilnehmer bekommen ein Grundgerüst für ihre künftige Aufgabe", sagt Ilse. In der Theorie werden psychologische Grundlagen vermittelt. "Dabei geht es um den Umgang mit Opfern und Hinterbliebenen", sagt die Expertin.

In den Seminaren könnten die Teilnehmer das "Einfühlen üben". Beim Einsatz müssten Helfer dann für die jede neue Situation offen sein. "Es wird sehr konkret über den Tod und die Trauer geredet." Man helfe den Hinterbliebenen, "ihren kleinen roten Faden wiederzufinden".

Die künftigen Notfallseelsorger sollen sich auch Gedanken machen, wie sie das Thema Tod und Verlust selbst verarbeiten. In Rollenspielen werden entsprechende Situationen nachempfunden. "Jeder reagiert anders", weiß Thea Ilse. "Einige werden aggressiv, andere schweigen, manche wollen reden." Die Notfallseelsorger sind zwei bis vier Stunden bei Opfern und Hinterbliebenen von Unfällen und Katastrophen und leisten Beistand. Sie stellen auch Kontakte zu Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen oder dem Gemeindepfarrer her.

"Selten werden wir abgewiesen", berichtet Thea Ilse. Wenn dies passiere, werde das aber respektiert. Auch Fernsehreportagen werden in die Ausbildung einbezogen. In den Beiträgen berichten Hinterbliebene darüber, wie sie die Zeit nach dem Tod eines Angehörigen erlebt haben.

"Es geht nicht, dass man sein eigenes Trauma abarbeitet"

Am Ende des Seminars könne jeder Teilnehmer selbst entscheiden, ob er künftig als Notfallseelsorger tätig sein wolle. Denn es gehe nicht, "dass man sein eigenes Trauma abarbeitet", sagt Ilse. Im Einzelfall habe sie auch schon zu Seminarteilnehmern gesagt: "Das tut dir nicht gut". Manche Frauen und Männer stellten das auch von selbst fest. Die Menschen, die Angehörige in schwierigen Situationen begleiten, kommen aus vielen verschiedenen Berufen. Es seien nicht nur soziale Berufe vertreten, sagt Thea Ilse. So seien etwa in ihrem aktuellen Lehrgang ein Jurist und eine Sparkassenangestellte. Thea Ilse plant auch die Ausbildung von Polizeibeamten für eine ehrenamtliche Mitarbeit in den Kriseninterventionsteams der Polizei. Es sei günstiger, wenn Polizeibeamte anderen Polizeibeamten helfen würden.

Notfallseelsorger können Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 70 Jahren werden.

Weitere Infos: fachverband-nkm.de

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