Ausstieg unerwünscht: Deutscher simuliert in Moskau Mars-Mission

MOSKAU (dpa). Vom Roten Platz zum Roten Planeten: Für ein einzigartiges Experiment lässt sich Bundeswehr-Hauptmann Oliver Knickel Ende März in Moskau in ein nachgebautes Raumschiff sperren.

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Ist die Luke einmal verschlossen, wird der 28-Jährige zusammen mit vier Russen und einem Franzosen 105 Tage lang auf 180 Quadratmetern nahezu isoliert einen Flug zum Mars simulieren. "Mich hat Außergewöhnliches schon immer gereizt", begründet Knickel seine Teilnahme. Der Test in Moskau soll Wissen für eine echte Mars-Mission in einigen Jahrzehnten bringen. Wegen der Video-Überwachung von außen könne in dem Modul eigentlich nichts Schlimmes passieren, trotzdem sei er etwas nervös, gesteht der Offizier.

Alltagsgeräusche wird der gebürtige Düsseldorfer in dem Modell, das im russischen Institut für biomedizinische Probleme (IBMP) steht, ab dem 31. März keine mehr hören. Stattdessen werden die Insassen in Acht-Stunden-Schichten die Zeit totschlagen. Sport treiben, Freizeit haben und Experimente ausführen: Die Forscher sollen ganz so tun, als befände sich ihr "Raumschiff" auf einem über 50 Millionen Kilometer langen Flug zum Mars.

105 Tage Big Brother im Dienste der Wissenschaft

Wie bei einer wirklichen Mars-Reise müssen die sechs Forscher während der 105 Tage auf eine Dusche verzichten, waschen können sie sich nur mit feuchten Tüchern. Die Nahrung wird komplett aus Deutschland geliefert. Wissenschaftler der Universität Erlangen nutzen die einmalige Isolation, um die Balance des Salz- und Wasserhaushalts zu analysieren. Krankheiten und Verletzungen muss die Crew selbst heilen, Funkkontakte zur Familie bleiben die Ausnahme - und fast überall Kameras: "Big Brother" im Dienste der Wissenschaft. "Ich glaube nicht, dass ich Schaden nehmen werde", meint Knickel. "Aber Freunde haben mich schon zuerst gefragt, ob ich verrückt sei."

Wichtig für das Modell ist auch die gute Stimmung: Ein "Lagerkoller" soll vermieden werden. Die Folgen einer Langzeitisolation können Roboter nicht testen, so Knickel. Für das Experiment des IBMP und der Europäischen Weltraumbehörde ESA setzte er sich gegen 5600 Bewerber durch. Dabei kam ihm seine Fitness ebenso zugute wie seine Sprachkenntnisse, die er von seiner russischen Freundin erwarb.

Fotos und Bücher gegen die Einsamkeit

"Ich bin hungrig auf Extremsituationen", räumt der sonst in Eschweiler bei Aachen stationierte Hauptmann ein. Bei einem Bundeswehreinsatz in Afghanistan half er 2002 in Kabul, die Große Ratsversammlung zu sichern. In Moskau wird der Maschinenbauingenieur in dem röhrenförmigen Modell, das mit seiner dunklen Holzvertäfelung sowjetischen Charme verbreitet, "meine Freundin und die Sonne" am meisten vermissen. Romane, Fotos und CDs sollen die Einsamkeit in seinem drei Quadratmeter kleinen Zimmer überwinden helfen. Zudem gilt es, rund 100 Experimente auszuführen sowie "unerwartete Probleme" zu bewältigen, die die Forschungsleitung von außen einspielen wird.

Von dem 105-Tage-Experiment erhofft sich die Forschung wichtige Aufschlüsse. Eine komplette Mars-Expedition würde aber insgesamt 520 Tage dauern. Daher wollen Wissenschaftler ab Dezember in einer Nachfolgestudie "Astronauten" für diesen Zeitraum einsperren. "Zuerst möchte ich mal den jetzigen Versuch meistern", meint Knickel zu einer Teilnahme. Von seiner Truppe ist er nicht beurlaubt, sondern nach Moskau abkommandiert. Abbrechen darf er das Experiment nur im Notfall. "Auf dem Weg zum Mars kann man ja auch nicht aussteigen."

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