Pflegehelfer - eine Chance für Hauptschüler

In einem Modellprojekt in Süddeutschland werden Hauptschüler für den Arbeitsmarkt fit gemacht. Sie helfen bei der Betreuung von alten, kranken und behinderten Menschen.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Bald haben sie ihre Ausbildung beendet: die 22 angehenden "Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen".

Bald haben sie ihre Ausbildung beendet: die 22 angehenden "Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen".

© Foto: Susanne Kern/Kraufmann

Noch ist es ein Modellprojekt, doch mit etwas Glück könnte es schon bald bundesweit Nachahmer finden: der Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen. In dem Projekt von der Robert Bosch Stiftung lernen geringqualifizierte junge Menschen, wie sie alten, behinderten und kranken Menschen helfen. Das bringt sie nicht nur auf den Arbeitsmarkt - sie entlasten damit auch Pflegekräfte, die so mehr Zeit in ihre eigentliche Tätigkeit investieren können.

Projekt für Schüler mit schlechten Noten

Tatsächlich darf der Modellversuch als Vorzeigeprojekt gelten, denn er schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Gezielt werden Jugendliche mit einem schlechten Hauptschulabschluss ausgewählt. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie nur schlechte Karten. Häufig landen sie in schulischen Auffangbecken wie etwa dem Berufsvorbereitungsjahr oder Berufsgrundjahr. Wo für andere Schüler mit einer Ausbildung oder einem Studium der Berufseinstieg beginnt, haben Hauptschüler mit schlechten Noten schlimmstenfalls bereits ihre Hartz-IV-Karriere begonnen.

Mit dem Projekt "Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen" erhalten diese jungen Menschen eine Chance. Im Großraum Stuttgart, Reutlingen und Augsburg werden sie in zehn Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe sowie Krankenpflege ausgebildet. Ihre Aufgaben sind vor allem unterstützende Tätigkeiten. Um pflegerische Aufgaben geht es dabei nicht. Vielmehr unterstützen sie die Pflegekräfte, indem sie etwa mit alten Menschen spazieren gehen. Auch die Zubereitung von kleinen Mahlzeiten, Hausmeistertätigkeiten und die Hilfe bei Hausarbeiten sind Bestandteil ihrer Arbeit.

Die Ausbildung zum Servicehelfer dauert nur ein Jahr. Damit komme man der Schulmüdigkeit der jungen Menschen entgegen, heißt es in einer Beschreibung der Robert Bosch Stiftung. 70 Prozent der Ausbildung sind Praxis, 30 Prozent Theorie. Neben Fachwissen, sollen die Jugendlichen vor allem soziale Kompetenzen entwickeln.

Im Unterricht stehen nicht nur Hauswirtschaft und Ernährung auf dem Plan, sondern auch der Umgang mit alten, behinderten und kranken Menschen. Und auch ganz grundlegende Themen wie Kommunikation und richtiges Benehmen lernen die angehenden Servicehelfer.

Ein weiterer Pluspunkt für die Auszubildenden ist die Übernahmegarantie. Alle teilnehmenden Einrichtungen verpflichten sich, sie nach ihrer erfolgreichen Ausbildung für mindestens ein weiteres Jahr zu übernehmen. Den Jugendlichen soll so der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt leichter gemacht werden.

Und es funktioniert: Von dem ersten Ausbildungsjahrgang mit 13 Auszubildenden haben bereits zwei ein Weiterqualifizierungsangebot zur Altenpflegehilfe erhalten. Bei der Robert Bosch Stiftung ist man überzeugt von dem Modellprojekt: Von den Trägern habe man überwiegend positive Resonanz erhalten, berichtet die Projektkoordinatorin Melanie Schuster der "Ärzte Zeitung". Auch andere Einrichtungen, vor allem im Raum Augsburg, hätten bereits Interesse an dem Projekt gezeigt.

Aus dem Modell könnte ein dauerhaftes Projekt werden

Eine Ausweitung des Projektes, auch über Süddeutschland hinaus, kann man sich bei der Robert Bosch Stiftung sehr gut vorstellen. Zunächst müsse man allerdings die Ergebnisse der Evaluation abwarten, so Schuster. Die sollen ihrer Aussage zufolge Ende des Jahres vorliegen.

Erste Ergebnisse wurden allerdings schon veröffentlicht - sie bestätigen das gesteckte Ziel des Projekts: Die Servicehelfer entlasten erkennbar die Mitarbeiter in den Einrichtungen, heißt es in dem Bericht. Ihre Arbeit habe außerdem einen mittelbaren und unmittelbaren Nutzen für die Patienten.

Derzeit plant die Robert Bosch Stiftung die staatliche Anerkennung der Ausbildung. Vom Sozialministerium in Baden-Württemberg habe man bereits die Zusage erhalten, dass die Akkreditierung noch in diesem Jahr komme.

Dann haben auch die 22 Azubis des zweiten Jahrgangs ihre Ausbildung beendet. Sie sind dann dem Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt ein großes Stück näher gekommen.

Die Robert Bosch Stiftung

Die Robert Bosch Stiftung ist eine der großen unternehmensnahen Stiftungen in Deutschland. Im Jahr 2007 förderte sie Projekte im Gesamtwert von fast 60 Millionen Euro. Die Stiftung wurde 1964 gegründet und setzt sich für die Ideale des Firmengründers und Stifters Robert Bosch (1861-1942) ein. Mit 92 Prozent ist sie Hauptanteilseignerin der Robert Bosch GmbH (Firmenkapital ca. 1,2 Mrd. Euro). Die Stiftung engagiert sich in den Themenfeldern Völkerverständigung, Bildung und Gesundheit. In Stuttgart betreibt sie das Robert Bosch Krankenhaus und zwei Forschungsinstitute.

www.bosch-stiftung.de

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