Vom Traumschiff ins Armenhaus Afrikas

Jedes Jahr zu Weihnachten und an Neujahr ist das "Traumschiff" im ZDF unterwegs auf hoher See. In der Realität betreut Dr. Henner Kolb Patienten auf dem Kreuzfahrtschiff "MS Deutschland" - und in Eritrea.

Von Bernd Krug Veröffentlicht:
Einige Wochen im Jahr steht Dr. Henner Kolb in Eritrea im Op.

Einige Wochen im Jahr steht Dr. Henner Kolb in Eritrea im Op.

© Foto: privat

Zusammen mit Ehefrau Gabriele pendelt Dr. Henner Kolb zwischen den Welten. 30 Jahre hat er als Chirurg, zuletzt als leitender Oberarzt im Bremer Klinikum gearbeitet. Der gebürtige Bremer fuhr zur See, begleitete als Schiffsarzt während seines Urlaubes Expeditionsfahrten in den Südatlantik und den Indischen Ozean. Nun arbeitet er einige Wochen im Jahr als Schiffsarzt auf der "MS Deutschland", dann fliegt das Ehepaar mit medizinischen Instrumenten und Medikamenten nach Eritrea in den Nordosten Afrikas.

Kolb operiert zweimal im Jahr als freiwilliger Helfer in der Kinderklinik "Mekane Hiwot Hospital" in Asmara, seine Frau betreut kleine Patienten auf der Geburtsstation. "160 Kinder stehen auf der OP-Warteliste", hatte man Kolb aus Asmara gemailt, als er Ende Oktober von der Traumschiff-Reise zum "Indian-Summer" aus Kanada zurückkam und die Koffer für die Abreise nach Afrika packte.

Leistenbrüche, Darmfehlbildungen, offener Rücken und gutartige Tumore. Kolb: "Das ist kaum zu schaffen. Und wenn im Radio unsere Ankunft abgekündigt wird, kommen noch mehr Mütter mit ihren kranken und behinderten Kindern von weit her und hoffen auf Hilfe. "

In den Wochen in Eritrea steht er lang am Operationstisch. Doch das medizinisch notwendige kann er oft nicht machen. "Eingriffe, bei denen mit schweren postoperativen Verläufen zu rechnen ist, oder wo Infusionstherapien erforderlich wären, können nicht durchgeführt werden."

Auch auf der Geburtsstation, auf der die examinierte Kinderkrankenschwester Gabriele Kolb aushilft, geht es hektisch zu: Bis zu 40 Kinder am Tag werden hier geboren. "Es herrscht oft drangvolle Enge und es fehlt an so vielem," erzählt sie, die selbst Mutter von vier Kindern ist.

Auf der Geburtsstation ist immer was los: Gabriele Kolb.

Auf der Geburtsstation ist immer was los: Gabriele Kolb.

© Foto: privat

Eine andere Welt erleben die beiden, wenn sie auf dem aus der ZDF-Serie bekannten "Traumschiff" arbeiten: "Für die meisten Behandlungsfälle und die Erstversorgung an Bord der MS Deutschland sind wir bestens gerüstet", so Kolb. "Das Schiff verfügt auf Deck 3 über ein kleines, modern ausgestattetes Hospital." Hier ist alles vorhanden: EKG, Ultraschall ein eigenes kleines Labor. Auf einigen Reisen steht den Passagieren die bordeigene Dialysestation zur Verfügung. Schiffsarzt und Krankenschwester sind rund um die Uhr einsatzbereit.

Versorgt werden an Bord nicht nur die bis zu 500 Passagiere, auch die rund 300-köpfige Crew betreut Kolb im Notfall. Als Bordarzt muss er für alles gerüstet sein: Sonnenbrand, Allergien, verstauchte Knöchel, Bandscheibenvorfall. Im Notfall können Patienten nach ein bis zwei Tagen in eine Klinik gebracht werden, wenn das Schiff wieder einen Hafen anläuft.

Eine heile Welt erleben die Kolbs an Bord der "MS Deutschland" -  daher möchten sie mit ihren Einsätzen in Eritrea anderen helfen. An einen Ruhestand zu Hause in Bremen möchten die beiden nicht denken. "Wir werden in Asmara gebraucht, die Arbeit geht nie aus", sagt Kolb. So helfen sie inzwischen auch im Krankenhaus von Keren, etwa 120 Kilometer von Asmara entfernt. Im Klinikum der zweitgrößten Stadt Eritreas gibt es keine Neugeborenenstation.

TV-Kreuzfahrtarzt und sein echter Kollege: Schauspieler Horst Neumann (links) alias Dr. Horst Schröder und Dr. Henner Kolb auf der MS Deutschland.

TV-Kreuzfahrtarzt und sein echter Kollege: Schauspieler Horst Neumann (links) alias Dr. Horst Schröder und Dr. Henner Kolb auf der MS Deutschland.

© Foto: Krug

"Die wird dringend benötigt", sagt Kolb. Die Ärzteorganisation Hammer Forum will einen Ausbau unterstützen, um so die Überlebenschancen von Frühgeborenen und Problem-Säuglingen mit kritischem Gesundheitszustand zu verbessern. Auch fehlt es an langlebigen UV-Lampen, "Bei gut 15 Prozent der Frühgeburten ist die Leberfunktion unzureichend. Sie müssen mit speziellem UV-Licht bestrahlt werden, um die Leberfunktion zu aktivieren", so Gabriele Kolb.

Am zweiten Weihnachtstag und am 1. Januar sticht das "ZDF-Traumschiff" wieder in See. Schiffsarzt Dr. Horst Schröder - seit 20 Jahren gespielt von Horst Naumann - wird dann Dienst haben und den Urlaubern und der Crew mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Das Hammer Forum

Das Hammer Forum wurde während des Golfkrieges von Ärzten und Bürgern der Stadt Hamm gegründet, um erkrankte und verletzte Kinder aus Krisen- und Kriegsgebieten medizinisch zu versorgen. Über 1500 Kinder wurden seitdem nach Deutschland gebracht und haben hier eine medizinische Behandlung erfahren, die in ihren Heimatländern unmöglich gewesen wäre. Auch bildet das Forum Ärzte und Pfleger in der Region aus. (krb)

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